Nacibullah über seine Migrationsgründe und den Weg von Afghanistan in die Türkei

Nacibullah hat als 16-Jähriger im Jahr 2018 Afghanistan ohne seine Familie verlassen. Zwei zentrale Gründe zwangen ihn zur Flucht: Existenzielle wirtschaftliche Not und der Krieg in Afghanistan. In diesem Interviewabschnitt spricht er darüber, warum er sich zu diesem Schritt entschied und auf welchem Weg er in die Türkei kam.

Nacibullah in Istanbul. Privates Foto.

Ich komme aus Afghanistan, aus der Provinz Samangan. Vor dem Krieg habe ich als Mechaniker gearbeitet und bin auch zur Schule gegangen. Aber als ich erwachsen wurde, gab es wirtschaftliche Probleme, die mich zwangen, in ein anderes Land auszuwandern, um Arbeit zu finden und zu überleben. […]

Meine Familie ist eine große, vielköpfige Familie, und in meinem Land gibt es nicht genügend Beschäftigungsmöglichkeiten für uns, um unsere grundlegenden Bedürfnisse zu decken. Die wirtschaftlichen Probleme zwangen uns, ins Ausland zu gehen und dort Arbeit zu finden, um zu überleben. In meinem Land herrscht Krieg, und die Kriegsbedingungen haben uns gezwungen, woanders hinzugehen, und so kam ich nach İstanbul, in die Türkei. Eigentlich bin ich aus wirtschaftlichen Gründen hierher gekommen. […]

Von Afghanistan aus sind wir mit dem Auto nach Pakistan gekommen; dann ging es weiter mit dem Auto in den Iran. Vom Iran aus sind wir dann in die Türkei gekommen. Der Grund, warum wir uns für die Türkei entschieden haben, war, dass wir gehört hatten, dass die Türk*innen gastfreundlich sind. Außerdem lebten einige meiner Freund*innen in der Türkei, und wir dachten, dass diese Freund*innen uns helfen könnten, eine Arbeitsstelle zu finden. […]

(Unsere Familien… Sie unterstützten diese Entscheidung zunächst nicht, da sie dachten, dass es für uns nicht einfach sein würde, über illegale Wege zu migrieren. Später sprach mein Onkel mütterlicherseits mit meiner Mutter über die Route und die Fahrzeuge. Er sagte ihr: „Sie sollten gehen und dort etwas Geld verdienen“. Und er tröstete sie mit den Worten: „Es gäbe keine Probleme, viele Söhne von Freunden gingen dorthin und arbeiteten dort“. Am Ende war meine Familie überzeugt.)

Von Afghanistan aus dauerte es 23 Tage, bis wir in der Türkei ankamen. Und die ganze Reise bestand aus 13 Tagen Fußmarsch und zehn Tagen Autofahrt. Auf dem Weg dorthin hatte ich mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Nacibullah hat als 16-Jähriger im Jahr 2018 Afghanistan ohne seine Familie verlassen. Zwei zentrale Gründe zwangen ihn zur Flucht: Existenzielle wirtschaftliche Not und der Krieg in Afghanistan.

In diesem Interviewabschnitt spricht er darüber, warum er sich zu diesem Schritt entschied und auf welchem Weg er in die Türkei kam. Nachdem er kurze Zeit in Konya lebte, entschied er sich wegen der zahlreichen Arbeitsmöglichkeiten für ein Leben in Istanbul. Mittlerweile arbeitet Nacibullah wie viele andere afghanische und andere Migrant*innen in der Türkei in einem irregulären Arbeitsverhältnis mit körperlich schwerer Arbeit und geringer Entlohnung, in seinem Fall in der Automobilindustrie. Dass er irregular in die Türkei gekommen ist und ohne Papiere und Aufenthaltsstatus dort lebt, führt nicht nur zu prekären Arbeitsverhältnissen, sondern auch zu Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche, keinen Schutzmöglichkeiten vor Diskriminierungen und Einschränkungen in der Freizügigkeit Nacibullahs. Wie Nacibullah führen auch viele andere Zwangsmigrant*innen aus Afghanistan in Istanbul ein prekäres Schattendasein. Sie bleiben, unter anderem wegen der Angst vor einer Abschiebung oder anderen rechtlichen Problemen aufgrund ihres irregulären Aufenthalts, oft auch zivilgesellschaftlichen und organisatorischen Unterstützungsstrukturen verborgen. 11Zur Situation von Afghan*innen in Istanbul siehe u. a. GAR, 2021: Ghosts of Istanbul. Afghans at the Margins of Society. https://www.gocarastirmalaridernegi.org/attachments/article/193/GHOSTS%20OF%20ISTANBUL%20N.pdf (22.07.2021).

    Fußnoten

  • 1Zur Situation von Afghan*innen in Istanbul siehe u. a. GAR, 2021: Ghosts of Istanbul. Afghans at the Margins of Society. https://www.gocarastirmalaridernegi.org/attachments/article/193/GHOSTS%20OF%20ISTANBUL%20N.pdf (22.07.2021).

Das Interview wurde von Elif Yenigun im Auftrag des We Refugees Archivs im April 2021 online auf Persisch und Türkisch geführt.

Übersetzung ins Englische: Elif Yenigun

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche © Minor