Die Einwanderungsstadt Berlin ist heute ein Ort der migrantischen Selbstbehauptung und des Aktivismus. Politische Bewegungen setzen sich für Geflüchtete und die Sichtbarmachung der kolonialen…
Die ersten Holocaustforschenden
In ihrer Auseinandersetzung mit der eigenen Verfolgung und den erlebten Verlusten forschten jüdische Überlebende in Europa als Erste zu den nationalsozialistischen Verbrechen. Bereits während des Zweiten Weltkriegs begann die Dokumentation über die Zerstörung des europäischen Judentums und die Shoah. Auch nach 1945 sahen sich die überlebenden DPs in der Pflicht zu forschen und zu erinnern. Dies geschah unter anderem durch zahlreiche Veröffentlichungen in jiddischer Sprache. Die Forscher:innen leisteten in ihren Auswanderungsländern Pionierarbeit, lange bevor eine historische Aufarbeitung an den Universitäten stattfand. Renommierte Institutionen in Deutschland erkannten ihre Forschung erst Jahrzehnte später an.
In Berlin richteten jüdische DPs bereits 1946 eine Historische Kommission ein. Diese rief im November desselben Jahres die Leser:innen der Lagerzeitung Undser Lebn auf, Selbstzeugnisse und Lebensgeschichten einzureichen. Die Mitarbeitenden verteilten Fragebögen unter den DPs. Diese schickten sie ausgefüllt an das YIVO Institute for Jewish Research in New York oder an die Zentrale der Historischen Kommission in München. Spätestens 1947 fanden im Saal der Volksuniversität erste Veranstaltungen statt, in denen Überlebende ihre Erinnerungen teilten.
„Unsere Kinder über sich“
Die Lagerzeitung Undser Lebn interviewte im September 1946 Kinder aus dem DP-Lager „Düppel-Center“ in Schlachtensee. Sol Zvi (rechte Spalte, zweites Bild von oben), 15 Jahre alt, erzählte dabei von seinen Erlebnissen: „1942 hat man mich und meinen jüngeren Bruder zusammen mit meinen Eltern nach Majdanek deportiert. Meine Eltern sind dort auf Ewig geblieben. Mein Bruder und ich nutzten eine Gelegenheit, um in den Wald zu entlaufen, wo wir drei Jahre zusammen mit Partisanen gelebt haben. Bei den Partisanen habe ich auch Kampfmissionen ausgeführt. Dort [in ‚Eretz Israel‘] will ich auf eine technische Schule gehen. Wir waren lange genug im Exil. In allen anderen Ländern kann uns Juden das zustoßen, was wir schon einmal durchgemacht haben. Jedes Volk muss sein eigenes Land haben.“