Begegnungen zwischen DPs und der restlichen Berliner Bevölkerung waren alltäglich und geprägt von Fragen von Schuld, Reparationen und Gedenken.
Die Entstehung jüdischer DP-Lager
DP-Lager, sogenannte assembly centers, entstanden in Westdeutschland in Krankenhäusern, Schulen, ehemaligen Kasernen oder Zwangsarbeitslagern, aber auch vereinzelt auf den Geländen ehemaliger Konzentrationslager. Zu Beginn wurden die Displaced Persons entsprechend ihrer (früheren) Nationalität untergebracht. Dies führte zu Konflikten: Jüdische Geflüchtete mussten den Raum mit potenziellen Kollaborateur:innen aus ihren Heimatländern teilen. Sie forderten eine eigene Unterbringung. Zudem waren viele so geschwächt, dass sie besonderer Unterstützung bedurften. Daraufhin richtete die US-amerikanische Militärverwaltung in ihrer Besatzungszone DP-Lager für jüdische Überlebende ein.
„Es ist nicht der Zweck von den Hilfsorganisationen und sie haben nicht die Möglichkeiten, uns ‚geistig‘ wieder aufzubauen. Es muss unsere eigene Arbeit und Verantwortung sein. Das heißt, wir müssen selbst die Initiatoren und Verwirklicher dieser Aufgabe sein. Und die Aufgabe ist eine sehr große und wichtige, und, meiner Meinung nach, die wichtigste auf der Tagesordnung der Wiederbelebung unseres Volkes.“
Undser Lebn, 10. August 1946
Die erste Anlaufstelle für die jüdischen Geflüchteten in Berlin war die im Herbst 1945 neu gegründete Jüdische Gemeinde, die Unterkünfte in den sowjetisch und französisch besetzten Teilen der Stadt einrichtete. Ein größeres Auffanglager entstand am Eichborndamm in Wittenau. Ende 1945 drohten die sowjetischen Behörden, die jüdischen Geflüchteten aus ihrer Zone auszuweisen. Daraufhin flohen die Menschen in den US-amerikanisch besetzten Teil der Stadt. Um die Geflüchteten aufzunehmen, wurden innerhalb weniger Wochen in Zehlendorf und Mariendorf Lager eingerichtet. Sie unterstanden der Hilfsorganisation United Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA), die später zur International Refugee Organization (IRO) wurde. Auch das American Jewish Joint Distribution Committee (JDC) war maßgeblich beteiligt. Im Lager „Düppel-Center“ in Zehlendorf lebten in der Höchstphase 1946 über 5.000, in „Bialik“ in Mariendorf über 4.000 Menschen.
Selbstverwaltung und Selbstbehauptung
Schnell forderten die Bewohner:innen die Selbstverwaltung der DP-Lager ein. Sie entwickelten demokratische Strukturen, die das Gemeindeleben regelten. Die wichtigste Instanz war das Berliner Zentralkomitee, welches mit der Militärverwaltung und den Hilfsorganisationen verhandelte. Dem Zentralkomitee unterstanden die einzelnen Lagerkomitees, die als Gemeindeverwaltung fungierten. In allen jüdischen DP-Lagern Berlins gab es selbstorganisierte Strukturen von Polizei, Verwaltung, Gerichtsbarkeit, Bildung, Sport und Ernährung. Eine der wichtigsten Aktivitäten war die Einrichtung eines Suchdienstes für Angehörige der Überlebenden. Mit Hilfe des JDC konnten so von 1945 bis 1947 über 16.000 Personen ermittelt und die Verbindung zu anderen DPs hergestellt werden.
„D.P.s oder P.D.s
Allgemeine Bezeichnungen sind oft nicht richtig. Am deutlichsten beweisen das die zwei weltberühmten Buchstaben D.P. Ihre richtige Bedeutung ist Displaced Person – verschleppte Personen […]. Für uns jüdische DPs ist das sicher eine richtige Bezeichnung. Wir sind heimatlose Menschen, die ihren Liebsten verloren haben, und wir können nicht in unsere ehemaligen Zuhause zurückkehren, selbst nach dem Waffenstillstand. […] Lasst uns aber die andere Kategorie von DPs anschauen. Es handelt sich um nichtjüdische Personen, für die die Bezeichnung DPs – verschleppte Personen – nicht passend ist. […] Sie haben sich freiwillig dem Nationalsozialismus angeschlossen. […] Während wir DPs sind, verschleppte Personen, sind sie PDs, politische Desperados.“
Undser Lebn, 15. September 1947