Im Herbst 1933 flüchtete eine beträchtliche Anzahl Oppositioneller, darunter jüdische Professoren, Wissenschaftler:innen und Künstler:innen, mit ihren Familien nach Istanbul und Ankara. Die kemalistischen Republikgründer benötigten Gelehrte zur Modernisierung des Bildungssystems, die vor den Nazis fliehenden Akademiker:innen einen Zufluchtsort. Über ca. 800 deutsche Geflüchtete haben die Kriegsjahre in der Türkei verbracht.
Vor diesem Hintergrund erzählt „Zuflucht am Bosporus“ das Leben seiner Hauptprotagonist*innen: Adelheid Scholz, die zur Zeit der Dreharbeiten 75 Jahre alt ist, und Cornelius Bischoff, der sein 73. Lebensjahr vollendet hat. Angekommen in Istanbul – ein großer, faszinierendes Abenteuerplatz für beide Kinder – besucht Adelheid dort die deutsche, Cornelius die österreichisch-katholische Schule.
Adelheids Vater, Prof. Gerhard Kessler ist Volkswirt und wird an die Istanbuler Universität berufen. Dort legt er die Grundlagen für ländliche Kooperativen in der Türkei und trägt maßgeblich zur Gründung moderner Gewerkschaften im Lande bei. Derweil geht jedoch seine Familie zu Bruch. Seine Frau erkrankt, Adelheids größere Schwester kehrt nach Deutschland zurück und wird BDM-Funktionärin. Danach organisiert sie zusammen mit Diplomaten der Nazis in Istanbul die „Befreiung“ Adelheids und ihrer Mutter – die zwei Söhne der Familie waren hingegen entschiedene Gegner des Naziregimes. Die drei Frauen kommen am 1. September 1939 in Deutschland an, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs.
Cornelius erfährt erst in der Türkei, dass seine Mutter Jüdin ist. Sein Vater, ein sozialdemokratischer Zimmermann, arbeitet in Istanbul in einer Werft. Wie Cornelius darstellt, ging es der Bischoff-Familie bestens: „Die Welt steht in Flammen. Während überall auf der Welt Menschen starben, haben wir uns am Bosporus vergnügt“. Nachdem die Türkei, ihrem einstigen Verbündeten Deutschland 1944, nach langem Zögern, den Krieg erklärt, müssen alle deutschen Staatsbürger, darunter die Bischoffs, in ein abgelegenes Internierungslager in den Steppen Anatoliens.
Auch die Nachkriegserlebnisse von Adelheid und Cornelius und filmische Begegnungen mit ihrem Nachwuchs ergeben: „Einmal Exil, immer Exil“.
Buch und Regie: Nedim Hazar Bora
Kamera: Pavel Schnabel
Produktion: Troja Film Produktion, ZDF, Goethe Institut
Der ganze Film ist auf Youtube zu sehen.
Veröffentlicht mit freundlichen Genehmigung von Nedim Hazar für das We Refugees Archiv.