Itzel Tzabs Neuanfang

Itzel Tzab wurde in La Libertad, Petén in Guatemala geboren und wuchs in ländlicher Armut auf, wo ihre Familie tödlichen Übergriffen durch gewalttätige Nachbarn ausgesetzt war. Im Alter von 18 Jahren floh sie mit ihren beiden Töchtern im Alter von vier und fünf Jahren vor der Familie ihres Ex-Freundes, der sie bedrohte und belästigte. Ihre Geschichte wirft ein Licht auf die Herausforderungen und Gefahren, mit denen Frauen und Mädchen konfrontiert sind, die vor misshandelnden Partnern geflohen sind und versuchen, sich in den Vereinigten Staaten ein neues Leben aufzubauen. Hier erzählt sie von ihrem Neuanfang.

THE DOORS HAVE OPENED FOR ME

Well, I feel good here, gracias a Dios. I have help, and I’m better than when I was in my country. Back there I couldn’t go to school because I was taking my daughters to school. I would’ve liked to graduate from high school and go to school to study to become a lawyer.

l’ve been in the United States for a year now. Here I have two sisters and four brothers. We’re seven altogether. My twenty-three year-old sister had already lived here for about seven years when I came. She works at a restaurant. I live in Oakland with my sister, near Highland Hospital. It’s not dangerous in this area. It’s mostly Chinese. I’m starting to figure out how to get around on public transportation. I’ve gone to San Francisco. I like it. I understand a little English, but I’m afraid to speak. My teacher told me, „Don’t be afraid to speak. Nobody is born with a language already known. Everything is learned.“

Right now I’m going to Oakland International High School, but during my vacations I work. The school is really good. They teach us a lot and help a lot if we have problems. There are many Hondurans, Salvadorans, Guatemalans, Mexicans, Arabs, and Chi­nese-people from everywhere! I have a lot of friends at school and feel like I’m part of a community. I’ve had a lot of support from my teachers, classmates, and fellow Guatemalans. Those who know more than me always help me feel comfortable. I’ve never felt sad, even if I don’t know what the teacher is saying, and I didn’t under­stand anything at first because it was all in English. Sometimes I even slept at my desk because I didn’t understand anything, but now, after six months, I have a little more confidence. The more time I spend in school, the better I get and the more I learn. I plan to go to college if God wills it. I’m about to enter the tenth grade, so I have two more years to finish high school.

In Guatemala, things are more difficult, and I felt for a time that the doors had been closed. Coming here, I feel that the doors have opened for me to move forward with my dreams. The counselors at school told me where I could apply for welfare at a local social service office. I didn’t want to go, but I went. And I got a bit of money to pay my rent and all. I’m trying to do what my teachers advise, like I need to get a laptop computer because I have a Rosetta Stone account and I can improve my English at home. With this program, I practice pronunciation, and I write and talk. we’re reading books in English.

My kids aren’t afraid anymore. They’re calm. Jazmin goes to school from 9 a.m. to 2:45 p.m., and after that she’s at home with me. We pay for someone to take care of Laura. I’d like to graduate from college here and for my children to graduate as well. Then maybe we could go back to Guatemala.

DIE TÜREN HABEN SICH FÜR MICH GEÖFFNET

Nun, ich fühle mich hier gut, gracias a Dios. Ich habe Hilfe, und es geht mir besser als in meinem Land. Dort konnte ich nicht zur Schule gehen, weil ich meine Töchter zur Schule gebracht habe. Ich hätte gerne meinen Schulabschluss und eine Ausbildung zum Anwalt gemacht.

Ich bin jetzt seit einem Jahr in den Vereinigten Staaten. Hier habe ich zwei Schwestern und vier Brüder. Wir sind insgesamt sieben. Meine dreiundzwanzigjährige Schwester lebte bereits seit etwa sieben Jahren hier, als ich kam. Sie arbeitet in einem Restaurant. Ich wohne mit meiner Schwester in Oakland, in der Nähe des Highland Hospital. In dieser Gegend ist es nicht gefährlich. Es sind hauptsächlich Chines:innen. Langsam finde ich heraus, wie ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurechtkomme. Ich war schon in San Francisco. Es gefällt mir dort. Ich verstehe ein bisschen Englisch, aber ich habe Angst zu sprechen. Mein Lehrer sagte mir: „Hab keine Angst zu sprechen. Niemand wird mit einer bereits bekannten Sprache geboren. Alles wird gelernt.“

Im Moment gehe ich auf die Oakland International High School, aber in den Ferien arbeite ich. Die Schule ist wirklich gut. Sie bringen uns viel bei und helfen uns sehr, wenn wir Probleme haben. Es gibt viele Honduraner:innen, Salvadorianer:innen, Guatemaltek:innen, Mexikaner:innen, Araber:innen und Chines:innen – Menschen von überall her! Ich habe viele Freunde in der Schule und fühle mich als Teil einer Gemeinschaft. Ich habe viel Unterstützung von meinen Lehrer:innen, Mitschüler:innen und anderen Guatemaltek:innen erhalten. Diejenigen, die mehr wissen als ich, helfen mir immer, mich wohl zu fühlen. Ich habe mich nie traurig gefühlt, auch wenn ich nicht wusste, was die Lehrerin sagt, und ich anfangs nichts verstanden habe, weil alles auf Englisch war. Manchmal habe ich sogar auf meinem Tisch geschlafen, weil ich nichts verstanden habe, aber jetzt, nach sechs Monaten, habe ich ein bisschen mehr Selbstvertrauen. Je mehr Zeit ich in der Schule verbringe, desto besser werde ich und desto mehr lerne ich. Ich habe vor, aufs College zu gehen, wenn Gott es so will. Ich gehe jetzt in die zehnte Klasse, habe also noch zwei Jahre Zeit, um die High School abzuschließen.

In Guatemala sind die Dinge schwieriger, und ich hatte eine Zeit lang das Gefühl, dass die Türen verschlossen waren. Als ich hierher kam, hatte ich das Gefühl, dass sich die Türen für mich geöffnet haben und ich meine Träume verwirklichen kann. Die Betreuer in der Schule sagten mir, wo ich bei einem örtlichen Sozialamt Sozialhilfe beantragen kann. Ich wollte nicht hingehen, aber ich bin hingegangen. Und ich habe ein bisschen Geld bekommen, um meine Miete und alles andere zu bezahlen. Ich versuche, die Ratschläge meiner Lehrer:innen zu befolgen, z. B. dass ich mir einen Laptop zulegen soll, weil ich ein Rosetta Stone-Konto habe und mein Englisch zu Hause verbessern kann. Mit diesem Programm übe ich die Aussprache, ich schreibe und spreche. Wir lesen Bücher auf Englisch.

Meine Kinder haben keine Angst mehr. Sie sind ruhig. Jazmin geht von 9 bis 14.45 Uhr zur Schule, und danach ist sie mit mir zu Hause. Wir bezahlen jemanden, der sich um Laura kümmert. Ich möchte hier meinen Abschluss machen, und meine Kinder sollen ihn auch machen. Dann könnten wir vielleicht zurück nach Guatemala gehen.

Neben Armut und Perspektivlosigkeit ist die Angst vor (Strassengang-)Gewalt für viele Menschen aus Mittelamerika ein zentraler Fluchtgrund. In den USA leben rund 7,5 Millionen illegale Einwander:innen aus Mexiko und Zentralamerika. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schätzt zudem, dass jährlich etwa 100.000 Migrant:innen aus El Salvador, Honduras und Guatemala in den USA Asyl beantragen. Um einer Verhaftung zu entgehen, müssen die Geflüchteten Schmuggler, so genannte coyote, bezahlen, Grenzbeamte bestechen und riskante Fluchtwege nehmen. Während ihrer Flucht werden die Migrant:innen immer wieder entführt, misshandelt und sexuell missbraucht. Viele gelten als vermisst. Ende 2018 bildete sich deshalb in Honduras ein großer Migrationszug, dem sich Tausende von Menschen aus El Salvador und Guatemala anschlossen, um im Schutz der Menge und zu Fuß über Mexiko in die USA zu gelangen. Ihnen wurde jedoch die Einreise an der Grenze mit der Begründung verweigert, sie kämen nicht aus einem Land, in dem Krieg herrscht, und hätten daher keinen Anspruch auf Asyl.

Itzel Tzab wurde in La Libertad, Petén in Guatemala geboren und wuchs in ländlicher Armut auf, wo ihre Familie tödlichen Übergriffen durch gewalttätige Nachbarn ausgesetzt war. Im Alter von 18 Jahren floh sie mit ihren beiden Töchtern im Alter von vier und fünf Jahren vor der Familie ihres Ex-Freundes, der sie bedrohte und belästigte. Ihre Geschichte wirft ein Licht auf die Herausforderungen und Gefahren, mit denen Frauen und Mädchen konfrontiert sind, die vor misshandelnden Partnern geflohen sind und versuchen, sich in den Vereinigten Staaten ein neues Leben aufzubauen. Hier erzählt sie von ihrem Neuanfang.

Mayers, Stevens / Freedman, Jonathan, 2019: Solito, Solita. Crossing Borders with Youth Refugees from Central America. Haymarker Books, Chicago, p. 248.

Übersetzung vom Englischen ins Deutsche: Minor Kontor / We Refugees Archiv.