Majid über seine Rassismuserfahrungen in der Türkei

Majid kommt aus der Darfur-Region im Sudan und gehört zur Ethnie der Fur. Er floh über Libyen in die Türkei und lebt seit über zehn Jahren in Istanbul. Zurzeit ist er selbstständiger Übersetzer für Englisch, Arabisch und Nyala. In diesem Teil des Interviews spricht er über seine Rassismuserfahrungen in der Türkei.

Majid in Istanbul. Privates Foto.
Majid in Istanbul. Privates Foto.

Now people have this awareness about these kinds of things. Specifically, your generation. New generation realize that there are different people who are different than them. And they are living among them. And also, people are traveling and having their own experiences over there. There are Turkish people going to Africa and they know African people. Now they have idea about African people. That’s why they changed their mentality right now.  […] They can survive, live with us. They can understand us. Yeah. Very racist mentality before. When I went to restaurant, when I went by bus, when I went disco… They used to call me: “Z****, gel buraya” (N*****, come here). Calling me “köpek” (the dog). […] But I laughed them and I knew them it was because their mentality was not stable. Even I didn’t talk to them. I was just ignoring them. Now it is very rare. You cannot hear something like this anywhere. It was worse and intense. […]

Let me tell you two stories from here. One day I went to Kilyos 11a coastal village outside Istanbul; northeastern coast seaside. By that time, I had my Iraqi girlfriend; she is Christian Iraqi. Right now she is in the US. And when we went together to Kilyos, the people who were working there told me that “you are forbidden to go and swim in the water.“ […]

I asked them why and they replied me that it is because I am black. They continued that: “If you go and swim in the water, other people will run away”. I said: “Are you serious?” And they said: “Yes”. We fought there, really.

The other case… also… I met a girl in 2009, she is Turkish and she was from Karadeniz. 22Black Sea region on north of Turkey Her name is Kanye. And we fell in love together. She was living in Istanbul. She was working in an insurance company. And one day I told her that I would speak with her father about our marriage. We had to marry. She told me that her father was very racist. I told her that I had to reach him and tell him about us. And when he found out about us via his one friend and heard that we were in love, he came to my house. By that time, she was living in my house. And he wanted to take her away from me and told her: “If you need him alive, go with me”. He clearly said: “If you want Majid alive, come with me; if not, stay”.

    Fußnoten

  • 1a coastal village outside Istanbul; northeastern coast
  • 2Black Sea region on north of Turkey

Nun sind sich die Menschen dieser Dinge bewusst. Besonders die junge Generation. Sie haben verstanden, dass es Menschen gibt, die anders sind als sie. Sie leben unter ihnen und mit ihnen. Menschen reisen nun und machen ihre eigenen Erfahrungen. Es gibt türkische Menschen, die nach Afrika gehen. Sie wissen jetzt mehr über Afrikaner:innen. Deswegen haben sie ihre Denkweise geändert. […]

Sie können mit uns leben, uns verstehen. Ja. Vorher gab es viel Rassismus. Im Restaurant, im Bus oder in der Disko. Sie riefen mir zu: „Z****, gel buraya“ („N****, komm her!“), nannten mich „köpek“ (Hund). […] Aber ich habe über sie gelacht, weil ich gewusst habe, dass sie mental nicht stabil waren. Ich habe nicht mit ihnen geredet, habe sie einfach ignoriert. Heute ist das sehr selten. Du kannst so etwas nicht mehr hören. Es war schlimmer und intensiver. […]

Lass mich dir zwei Geschichten erzählen. Eines Tages bin ich nach Kilyos gegangen. 11Badeort an der Küste nahe Istanbul. Zu dieser Zeit war ich noch mit meiner irakischen Freundin zusammen. Sie ist irakische Christin. Sie ist jetzt in den USA. Als wir also zusammen in Kilyos waren, haben mir die Angestellten dort gesagt, dass es mir verboten sei, dort im Meer zu schwimmen. […]

Ich habe nachgefragt warum und sie antworteten, weil ich Schwarz sei. Und: „Wenn du im Wasser schwimmst, werden die anderen Leute weglaufen. Ich sagte: „Ist das euer Ernst?“ und sie sagten: „Ja“. Wir haben gestritten darüber.

Die andere Geschichte, also ich habe 2009 ein Mädchen kennengelernt, sie ist Türkin aus Karadeniz. 22westliche Schwarzmeer-Region. Ihr Name ist Kanye. Wir haben uns verliebt. Sie hat in Istanbul gelebt und in einem Versicherungsunternehmen gearbeitet. Und dann habe ich ihr gesagt, dass ich mit ihrem Vater übers Heiraten reden wolle. Wir mussten einfach heiraten. Sie hat mir erzählt, dass ihr Vater sehr rassistisch ist. Ich habe ihr gesagt, dass ich mit ihm über uns reden müsste. Und dann hat er über einen Freund erfahren, dass wir zusammen waren und ist zu mir nach Hause gekommen. Zu der Zeit hat sie bei mir gewohnt. Er hat sie dann mitnehmen wollen und ihr gesagt: „Wenn du willst, dass er am Leben bleibt, dann komm mit mir.“ Er hat das ganz deutlich gesagt: „Wenn du willst, dass Majid lebt, dann komm jetzt mit. Wenn nicht, dann bleib.“

    Fußnoten

  • 1Badeort an der Küste nahe Istanbul.
  • 2westliche Schwarzmeer-Region.

Majid kommt aus der Darfur-Region im Sudan und gehört zur Ethnie der Fur. Auf dem Siedlungsgebiet der Fur kämpfen seit 2003 Rebellengruppen gegen die Truppen der sudanesischen Regierung und lokalen Milizen. Durch den Konflikt starben bis heute vermutlich über 400.000 Menschen, 2,66 Millionen Menschen wurden vertrieben.

Majid floh über Lybien in die Türkei und lebt seit über zehn Jahren in Istanbul. Mittlerweile hat er einen legalen Aufenthaltsstatus. Er arbeitete in verschieden internationalen Organisationen in Istanbul. Zurzeit ist er selbstständiger Übersetzer für Englisch, Arabisch und Nyala.

Das Interview wurde von Elif Yenigun im Auftrag des We Refugees Archivs im Mai 2021 in einem Park in Istanbul auf Englisch geführt.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche © Minor.