Wie Paydar ein Istanbullu wurde

Paydar H. ist ein Kurde aus Aleppo in Syrien. Nach der Bombardierung der Stadt im Jahr 2013 floh er im Alter von 24 Jahren nach Istanbul. Er heiratete im Jahr 2015, hat zwei Kinder und arbeitet in einer internationalen Organisation als Dolmetscher. In diesem Interviewabschnitt reflektiert er darüber, wie Istanbul zu seiner Heimat und zum einzigen Ort seiner Erinnerungen geworden ist.

Paydar H. in Istanbul. Privates Foto.

Now, I can’t remember how my life was back in Aleppo as a student or as living there in the city. I can’t.

All I remember is the street that I live here now, and the road to the work that I use in metro. My workplace in Fatih, and the balcony that I used to smoke. When we go to shopping, the mall that we frequented here. When I go to the Sea, the beach that we go to every year. So Istanbul grow on me. So it’s like, all my memories is from here and I cannot recall memories from Aleppo.

[…]

I feel myself as Istanbullu (Istanbuliot).

In the street that I live, the people know me, all the neighbors know me. They’re so good. The house owner… He is such a good man. He treats me like his nephew. For any problem with his bank card or anything, when he has problem in everything advanced that he can’t like deal with, he asked my help. I tried to help him when they have a wedding in the street, a Turkish wedding, they invite us as well. They send us an invitation card.

In the streets that I live as well. When I am walking on the street, I feel like I belong to the street.

Paydar H. in Istanbul. Privates Foto.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie mein Leben damals in Aleppo war, als ich dort studierte oder in der Stadt lebte. Das kann ich nicht.

Alles, woran ich mich erinnere, ist die Straße, in der ich jetzt wohne, und der Weg zur Arbeit, den ich in der Metro zurücklege. An meinen Arbeitsplatz in Fatih und den Balkon, auf dem ich geraucht habe. Wenn wir einkaufen gehen: das Einkaufszentrum, das wir hier besucht haben. Wenn ich ans Meer fahre: der Strand, an den wir jedes Jahr fahren. So ist mir Istanbul ans Herz gewachsen. Es ist so, dass alle meine Erinnerungen von hier sind und ich kann keine Erinnerungen aus Aleppo hervorrufen.

[…]

Ich fühle mich als Istanbullu (Istanbuler).

In der Straße, in der ich wohne, kennen mich die Leute, alle Nachbarn kennen mich. Sie sind so gut. Der Hausbesitzer… Er ist so ein guter Mensch. Er behandelt mich wie seinen Neffen. Wenn er Probleme mit seiner Bankkarte oder irgendetwas anderem hat, wenn er ein Problem hat, mit dem er nicht zurechtkommt, bittet er mich um Hilfe. Ich habe versucht, ihm zu helfen, wenn sie eine Hochzeit auf der Straße haben, eine türkische Hochzeit, laden sie uns auch ein. Sie schicken uns eine Einladungskarte.

Auch in den Straßen, in denen ich wohne. Wenn ich auf der Straße spazieren gehe, habe ich das Gefühl, dass ich zur Straße gehöre.

Paydar H. ist ein Kurde aus Aleppo in Syrien. Nach der Bombardierung der Stadt im Jahr 2013 floh er im Alter von 24 Jahren mit seinem Bruder über Afrin in Syrien in die Türkei und erreichte am 15. Mai 2013 Istanbul. Nachdem er in Istanbul eine Wohnung gefunden hatte, kamen seine Eltern und seine Schwester nach. Er heiratete im Jahr 2015, hat zwei Kinder und arbeitet in einer internationalen Organisation als Dolmetscher. In diesem Interviewabschnitt reflektiert er darüber, wie Istanbul zu seiner Heimat und zum einzigen Ort seiner Erinnerungen geworden ist.

Das Interview wurde von Elif Yenigun im Auftrag des We Refugees Archivs im März 2021 über Zoom auf Englisch geführt.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche © Minor