Ausbildung in der Landwirtschaft: Flucht ins Kibbuz

Die Jüdische Jugendhilfe wurde am 30. Januar 1933 aus einer Gruppe zionistischer Jugendorganisationen heraus gegründet. Sie organisierte die Auswanderung jugendlicher Jüdinnen:Juden nach Palästina (Jugend-Alijah). Die Jüdische Jugendhilfe bot jungen jüdischen Menschen eine kostenpflichtige Ausbildung in  Kibbuzen, was für tausende die Flucht aus Deutschland ermöglichte.

Nach einer kurzen Vorbereitungszeit in der Nähe von Berlin war auch Ernst Loewy für geeignet befunden worden, und seine Eltern unterschrieben am 01. März 1936 den Vertrag.

 

 

 

 

 

Ernst Loewy war ein deutsch-jüdischer Bibliothekar, Publizist und Exilforscher. Er war Mitbegründer und Vorstand der „Gesellschaft für Exilforschung“.

Als Schüler erlebte Ernst Loewy schon vor 1933 offenen Antisemitismus. Im Herbst 1935 beschlossen seine Eltern, dass er Deutschland verlassen soll. Nach einer vierwöchigen Vorbereitungszeit auf einem landwirtschaftlichen Gut bei Berlin im Dezember 1935 wurde er in das Programm der Jugend-Alijah aufgenommen. Im April 1936 erreichte er das Kibbuz Kirjat Anavim in der Nähe von Jerusalem, wo er bis 1938 lebte. Mit den Eltern hielt er per Brief Kontakt. Sie konnten nach den Novemberpogromen ebenfalls nach Palästina fliehen.

Die Jugend-Alijah wurde 1933 gegründet und geht auf die Initiative der Widerstandskämpferin und Lehrerin Recha Freier zurück. Ziel der Organisation war es, möglichst viele Kinder und Jugendliche aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Palästina zu bringen und sie am Aufbau des Landes zu beteiligen. Zugrunde lag diesem Vorhaben eine streng religiöse Weltanschauung, die nach den Novemberpogromen aufgrund der humanitären Notlage gelockert wurde. Von ihrem offiziellen Beginn im Februar 1934 an bis März 1939 konnte die Organisation rund 12.000 Jugendliche nach Palästina retten. An die Hilfe waren auch an Bedingungen geknüpft: Die Eltern konnten ihre Kinder nicht nach Palästina begleiten und waren dazu verpflichtet, einen Teil der Kosten für die Ausreise, Unterkunft und Ausbildung ihrer Kinder zu übernehmen.

Die Jugendlichen waren zu einer Ausbildung in handwerklichen, landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Bereichen sowie zum Unterricht in der Landeskunde Palästinas und in Hebräisch verpflichtet. Noch in Deutschland begann die Vorbereitung der Jugendlichen in Ausbildungsstätten auf ihr späteres Leben in Palästina. Nach Beendigung der Vorbereitungszeit stellten Vertreter:innen der Jugend-Alijah die Eignung der Jugendlichen fest. In Palästina kamen die Jugendlichen in Kinderdörfern oder Kibbuzim (ländlichen Siedlungen) unter, in denen sie in einer großen Gemeinschaft zusammen lebten, am Schulunterricht teilnahmen oder in ihrer Ausbildung landwirtschaftlich bzw. handwerklich arbeiteten.

Palästina

Palästina war nach den USA das wichtigste Aufnahmeland für Jüdinnen:Juden aus Europa. Diese wurden dort als Bürger:innen für den künftigen Aufbau eines jüdischen Staates angesehen. Die Eingewöhnung der Emigrierten war erschwert, da die kulturellen Unterschiede groß waren und sie sich zudem nur gering mit der gewünschten Staatsgründung identifizieren konnten. Hinzu kamen sprachliche Barrieren.Viele Eingewanderte wurden in landwirtschaftliche und handwerkliche Bereiche umgeschult, was für einige einen Statusverlust bedeutete.

Das Land verfolgte eine restriktive Einwanderungspolitik, die die Einwanderung über Quoten regelte. Beeinflusst wurde die Einwanderungserlaubnis vom Beruf, Vermögen und Herkunft des potenziell Aufzunehmenden. Aber auch illegal wanderten viele über den Seeweg mit Flüchtlingsschiffen nach Palästina ein.

Bis zum Ende des Jahres 1938 wanderten mehr als 200.000 Jüdinnen und Juden aus Europa nach Palästina aus.

Vertrag zwischen der Jüdischen Jugendhilfe e.V. Berlin und Ernst Loewys Eltern, 1936 © Deutsches Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek, NL Ernst Loewy, EB 95/075.