Hürden beim Aufbau eines neuen Lebens: Ummuahmed über ihre ersten Jahre in Istanbul

Ummuahmed floh 2012 zusammen mit ihrer Familie vor dem Krieg in Syrien und lebt seitdem in Istanbul, wo sie einen kleinen Laden betreibt. In den ersten beiden Jahren, so berichtet sie in diesem Interviewabschnitt, hatten sie und ihre Familie existenzielle Sorgen und große Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie spricht außerdem über sprachliche Hürden und ihre gesellschaftliche Isolation. Ummuahmed erklärt aber auch, wie sie mit diesen Hindernissen umging und sie teilweise überwand, sodass sie sich heute in ihrer Umgebung mehr angekommen fühlt.

Ummuahmad in Istanbul, 2021. Privates Foto.

Die ersten zwei Jahre waren so schwer, so schwierig für mich. Es war so schwer, wie ich es mir vorher nicht hätte vorstellen können, wirklich. Danach wurde es normal. Das Herkunftsland ist immer das beste Land für einen Menschen, um dort zu leben, sein Leben zu führen, all das. Aber jetzt ist das Leben gut, erst nach dieser Zeit haben wir ein Leben, das gut genug ist.

Die finanzielle Situation war das Schlimmste. Die ersten zwei Jahre waren so schwierig, dass wir kaum etwas zu essen und zu wohnen hatten. Danach war die Sprachbarriere ein großes Hindernis. Wir konnten keine Kontakte zu anderen Menschen knüpfen. Und auch die Kultur. Die Menschen hier sahen uns als „Außenseiter“. Nachdem sie uns kennengelernt haben, nachdem sie erfahren haben, dass wir ähnlich sind, respektiert uns jetzt jeder. Jeder weiß, dass wir hier leben. Wenn ich hier rausgehe und nach Hause komme, sage ich „Hallo“ zu ihnen, ich rede mit ihnen, aber ich besuche sie nicht. Ich besuche keine türkischen Leute, so wie ich syrische Leute besuche, zu denen wir einfach gehen. Nur „Selam“, das war’s.

[…] Ich kann nur die grundlegenden Dinge auf Türkisch, aber ich verstehe ein bisschen. Ich bin nicht so gut in Türkisch, mein Mann auch nicht. Aber unser jüngerer Junge, zwölf Jahre alt, geht zur Schule und kann sehr gut Türkisch. Auch die Töchter können gut Türkisch. Im normalen Leben brauche ich keine Übersetzung. Ich kann die Alltagssachen auf Türkisch. Aber wenn ich in einer kritischen Situation beim Arzt oder an einem anderen Ort eine Übersetzung brauche, habe ich die Kinder per SMS gebeten, mir zu helfen.

[…] Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich sagen kann: Das ist mein Zuhause, meine Straße, mein Geschäft. Ich habe mich also daran gewöhnt und danke Gott immer für die Dinge, die ich habe. Ich gehe auf den Basar, ich gehe in die Geschäfte, ich gehe zur Bim, 11Türkische Supermarktkette. ich kaufe meine Sachen, ich weiß, wo die Sachen sind. Es ist meine Straße, mein Haus, meine Nachbarschaft. Wenn wir etwas außerhalb des Hauses brauchen, gehe ich raus, wenn mein Mann Unterstützung im Laden braucht, gehe ich und helfe ihm. […]

Als wir kamen, waren wir zunächst Flüchtlinge, man sagte uns, ihr seid Flüchtlinge. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass ich hier wohne, dass dies mein Zuhause ist. Ich möchte nur mein Zuhause ändern.

 

    Fußnoten

  • 1Türkische Supermarktkette.

Ummuahmed floh 2012 zusammen mit ihrer Familie vor dem Krieg in Syrien und lebt seitdem in Istanbul, wo sie einen kleinen Laden betreibt. In den ersten beiden Jahren, so berichtet sie in diesem Interviewabschnitt, hatten sie und ihre Familie existenzielle Sorgen und große Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie spricht außerdem über sprachliche Hürden und ihre gesellschaftliche Isolation. Ummuahmed erklärt aber auch, wie sie mit diesen Hindernissen umging und sie teilweise überwand, sodass sie sich heute in ihrer Umgebung mehr angekommen fühlt.

Dieses Interview führte Elif Yenigün im Auftrag des We Refugees Archivs 2021 auf Arabisch und Englisch.

Übersetzung ins Englische: Elif Yenigün.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche: Minor Kontor.