Nazeeha Saeed, Journalistin aus Bahrain, die seit 2016 in Paris und Berlin im Exil lebt, findet deutliche Worte für ihre Sorge um den Rechtsruck in Europa in den Jahren seit ihrer Ankunft.
My view of Europe got worse since I came here – if I may say that. The right wing is rising crazily. I don’t know how many governments became right-wing since I moved to Europe. We are just getting shocked every election that the right wing is in the power. Like here in Germany it was a bit shocking, I mean we did see it coming, but we were hoping for it not to happen. But it happened and they are in the parliament. But I believe in change, and I hope this was a change not for long. I hope that we don’t have to pay for it with our life, our health and our safety. I left because I wanted to work for something. So I don’t want to have the struggle to live here as well. […] I don’t know what kind of decisions could come because they never cared about humanity. I’m sorry right-wing people but you do not care. That’s who you are. And neoliberals are even worse. So, I hope it doesn’t get that worse that I have to fight for my existence.
I think, on the other hand, activists and civil society could also enlarge their base with people who started to see the danger of the right wing, and the danger of racism and discrimination. We called them the ‘unpolitical’ middle. So, during the last years the base got larger because they saw the danger and said: Ok, I have kids now and I don’t want them in a certain point facing this. […]
On the other side the right wing also collected a lot.
So, it’s an interesting time. I hope we win.
Meine Meinung über Europa hat sich verschlechtert, seit ich hierher gekommen bin – wenn ich das sagen darf. Der rechte Flügel erstarkt unglaublich. Ich weiß nicht, wie viele Regierungen nach rechts gerückt sind, seit ich nach Europa gekommen bin. Wir sind einfach bei jeder Wahl schockiert, dass der rechte Flügel an die Macht gekommen ist. Wie hier in Deutschland: Es war es ein bisschen schockierend, ich meine, wir haben es kommen sehen, aber wir haben gehofft, dass es nicht passieren würde. Aber es ist passiert, und sie sind im Parlament. Aber ich glaube an den Wandel, und ich hoffe, dass dieser Wandel nicht lange anhält. Ich hoffe, dass wir dafür nicht mit unserem Leben, unserer Gesundheit und unserer Sicherheit bezahlen müssen. Ich bin gegangen, weil ich mich für etwas einsetzen wollte. Ich will also nicht auch noch hier den Kampf haben zu leben. […] Ich weiß nicht, welche Art von Entscheidungen kommen könnten, weil sie sich nie um die Menschlichkeit gekümmert haben. Es tut mir leid, ihr Rechten, aber das ist euch egal. So seid ihr. Und Neoliberale sind noch schlimmer. Ich hoffe also, es wird nicht noch schlimmer, sodass ich um meine Existenz kämpfen muss.
Auf der anderen Seite denke ich, dass Aktivist*innen und die Zivilgesellschaft ihre Basis auch um mehr Menschen erweitern könnten, die die Gefahr des rechten Flügels und die Gefahr von Rassismus und Diskriminierung zu sehen begonnen haben. Wir nannten sie die „unpolitische“ Mitte. In den letzten Jahren wurde die Basis also größer, weil sie die Gefahr sahen und sagten: Ok, ich habe jetzt Kinder und ich möchte nicht, dass sie an einem bestimmten Punkt damit konfrontiert werden. […]
Auf der anderen Seite sammelte auch der rechte Flügel viele.
Es ist also eine interessante Zeit. Ich hoffe, wir gewinnen.
Nazeeha Saeed arbeitete über 20 Jahre als Journalistin in Bahrain für internationale und lokale Medien. Ab 2011 war sie wegen ihrer journalistischen Arbeit, vor allem zu menschenrechtlichen Themen, staatlichen Repressionen ausgesetzt. Wegen ihrer kritischen Berichterstattungen über die Demokratieprotestbewegung, die in Bahrain im Zuge des „Arabischen Frühlings“ entstand, wurde sie festgenommen und gefoltert. Trotzdem blieb sie noch bis 2016 im Land und engagierte sich für Meinungs- und Pressefreiheit. 2016 wurde ihr die journalistische Lizenz entzogen und ein Reiseverbot auferlegt. Weil sie angeblich trotz entzogener Lizenz weiterhin journalistisch arbeitete, wurde sie verklagt. Sobald das Reiseverbot kurzfristig aufgehoben wurde, verließ Nazeeha Saeed das Land aus Angst vor einer weiteren Festnahme. Sie kam zunächst nach Paris, um dort mit ihren vorherigen Auftraggebern weiterzuarbeiten. Internationale Organisationen für freie Pressearbeit unterstützten sie beim Neuanfang in Europa und es gelang ihr, auch ohne Asylverfahren ein Aufenthaltsrecht zu erhalten. Seit Herbst 2019 lebt sie in Berlin.
In Europa setzt Nazeeha ihre journalistische Arbeit fort. Sie schreibt weiterhin über die Situation in Bahrain und der Golfregion, vor allem über menschenrechtliche Themen wie die Lage von Gastarbeiter*innen, Frauen und LSBTIQ*-Personen. Zudem veröffentlicht sie Artikel über die Situation in Europa, vor allem über das Exilleben in Paris und Berlin. Nazeeha Saeed setzt sich für freien Journalismus ein und gibt unter anderem Empowerment- und Strategieworkshops für Journalist*innen, die in politischen Konfliktgebieten arbeiten. So ist sie zum Gesicht für die Presse- und Meinungsfreiheitsverletzungen in Bahrain geworden, das im Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen auf Platz 169 von 180 rangiert.
In diesem Ausschnitt aus dem Interview, das We Refugees Archiv Nazeeha im Juli 2020 gegeben hat, spricht sie über ihre Sorgen angesichts der politischen Veränderungen in Europa seit ihrer Ankunft: Da politisch rechte Kräfte erstarken, sorgt sie sich, dass ihre Sicherheit erneut in Gefahr sein könnte. Gleichzeitig hofft sie, dass auch demokratische und tolerante Akteure erstarken werden.
Interview des We Refugees Archivs mit Nazeeha Saeed, 15. Juli 2020.