Die US-Migrationsregime von den 1920er Jahren bis in die 1950er Jahre

Viele, die in den 1930er und 1940er Jahren einen sicheren Zufluchtsort vor Verfolgung suchten, scheiterten an den restriktiven Einwanderungsquoten der Vereinigten Staaten und den komplizierten und anspruchsvollen Anforderungen für die Visumserteilung.

Die Analyse und Zahlen basieren auf den Forschungen des United States Holocaust Memorial Museum. 11https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/immigration-to-the-united-states-1933-41?parent=en%2F2419; https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/the-united-states-and-the-refugee-crisis-1938-41?parent=en%2F2419; https://exhibitions.ushmm.org/americans-and-the-holocaust/how-many-refugees-came-to-the-united-states-from-1933-1945; https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/the-united-states-isolation-intervention?parent=en%2F12009.

Vor dem Ersten Weltkrieg wanderten noch Millionen von Menschen in ein Land ein, das zu diesem Zeitpunkt keine allgemeinen Beschränkungen für die Zahl der Einwander:innen festgelegt hatte. So stieg beispielsweise die jüdische Bevölkerung in New York City von etwa 80.000 im Jahr 1880 auf 1,6 Millionen im Jahr 1920. Mehr als 1 Million Jüdinnen:Juden machten 1910 25 % der New Yorker Stadtbevölkerung aus, was sie in die damalig größte jüdische Stadt der Welt verwandelte. 22Ritterband, Paul. „Counting the Jews of New York, 1900-1991“, Papers in Jewish Demography (1997). Zugriff: 8. September 2022. Dagegen fanden zwischen 1933 und 1941 von den Hunderttausenden, die Asyl beantragten, beispielsweise lediglich 110.000 jüdische Geflüchtete aus den von den Nazis besetzten Gebieten in den Vereinigten Staaten Zuflucht. Nichtjüdische Geflüchtete sahen sich ebenso immensen Schwierigkeiten gegenüber. Was war geschehen?

Der Erste Weltkrieg und seine Folgen veränderte das politische Klima in den Vereinigten Staaten entscheidend. Der Isolationismus a la “America First” hatte hier seinen Ursprung. 1916 von Präsident Woodrow Wilson geprägt, versprach er, die Vereinigten Staaten im Ersten Weltkrieg neutral zu halten und gewann in der Zwischenkriegszeit sukzessive an Bedeutung. Vor diesem Hintergrund sowie der Grippepandemie und der wirtschaftlichen Rezession der Nachkriegszeit beschloss das US-Repräsentantenhaus im Dezember 1920, die Einwanderung in die Vereinigten Staaten für ein Jahr auszusetzen. Am 19. Mai 1921 unterzeichnete Präsident Warren Harding das Quotengesetz von 1921 (auch: Emergency Quota Act), mit dem eine bestimmte Anzahl von Visa pro Jahr jedem Land zugeteilt wurde. Quoten von 1921 wurden damals noch auf Ellis Island an den Toren New Yorks durchgesetzt, nicht in den US-Konsulaten im Ausland, sodass die Entscheidung über die Einreise erst bei der Ankunft in New York getroffen wurde. Dies führte zu so genannten “Mitternachtsrennen”, bei denen Passagierschiffe um die Wette für Kontingentplätze fuhren, um Ellis Island so schnell wie möglich zu erreichen. Während also Schiffe, die am 31. August um 23 Uhr ankamen, mit einer Geldstrafe belegt wurden, falls sie Passagiere aus Ländern an Bord hatten, aus denen das Kontingent bereits ausgeschöpft war, konnten dieselben Passagiere eine Stunde später, am 1. September, im Rahmen der neu eröffneten Kontingentplätze einreisen.

1924 sollte dieses Problem durch den im Mai verabschiedeten Immigration Act (auch: Johnson-Reed Act oder National Origins Act) gelöst und ein dauerhafteres Einwanderungsgesetz geschaffen werden. Das Gesetz schrieb vor, dass potenzielle Einwander:innen vor Einreise in die Vereinigten Staaten ein US-Einwanderungsvisum in den Konsulaten im Ausland erhalten mussten. Mit dem Gesetz von 1924 wurde die Einwanderungsquote auf 164.667 Personen pro Jahr begrenzt. Die neuen Quoten, die zum Teil von amerikanischen Befürworter:innen der Eugenik angeregt wurden, begünstigten „erwünschte“ Einwanderung aus Nord- und Westeuropa. Einwander:innen aus der westlichen Hemisphäre, die als Arbeitskräfte in den USA benötigt wurden, waren von der Quotenregelung ausgenommen. Einwanderung aus Süd- und Osteuropa, die den Großteil der neueren Einwanderung ausmachte, wurde dagegen stark beschränkt. Vielen in Asien und Afrika geborenen Menschen wurde die Einwanderung in die Vereinigten Staaten ausschließlich aus rassischen Gründen verwehrt. Isolationismus paarte sich mit Rassismus, Antisemitismus, Xenophobie.

Im Jahr 1929 wurde die Einwanderung auf insgesamt 153.879 Personen begrenzt. Quoten wurden auf der Grundlage der “nationalen Herkunft” der Bevölkerung, wie sie sich aus der Volkszählung von 1920 ergab, und der neuen Einwanderungsobergrenze anhand komplizierter Berechnungen neu festgesetzt. Infolgedessen stieg die Quote für Großbritannien von 34.007 auf 65.721, während die Quote für Deutschland von 51.227 auf 25.957 deutlich sank. Andere Länder schnitten noch schlechter ab: Polen, mit einer jüdischen Vorkriegsbevölkerung von 3,5 Millionen, wurde eine Quote von 6.524 auferlegt; Rumänien, mit einer jüdischen Bevölkerung von fast einer Million, eine von 377.

Aus Angst, dass Einwander:innen, auch solche, die vor Verfolgung flohen, um die knappen Arbeitsplätze konkurrieren und die öffentlichen Dienste inmitten der Great Depression belasten würden, lehnten die meisten Amerikaner:innen eine Änderung oder Anpassung des Johnson-Reed-Gesetzes während der gesamten 1930er Jahre ab. In den 1940er Jahren sah man in Geflüchteten zusätzlich ein potenzielles Risiko für die nationale Sicherheit. Die allgemeine einwanderungsfeindliche Stimmung im Lande äußerte sich auch in der Politik des Außenministerium, das Quoten nun eher als Grenzen denn als Ziele ansah und nicht versuchte, sie zu erfüllen. So wurden zwischen 1933 und 1941 beispielsweise rund 118.000 deutsche Quotenplätze, die hätten genutzt werden können, nicht ausgeschöpft.

Selbst nach der Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutschland und der Pogromnacht änderte sich an der US-Gesetzeslage nichts. Im Juni 1938 standen 139.163 Personen auf der Warteliste für das deutsche Kontingent. Ein Jahr später, im Juni 1939, war die Warteliste auf 309.782 Personen angewachsen. Ein potenzieller Einwanderer aus Ungarn, der 1939 einen Antrag stellte, musste fast vierzig Jahre auf seine Einwanderung in die Vereinigten Staaten warten. Der einzig nennenswerte Versuch, ein Gesetz zur Unterstützung von Geflüchteten zu verabschieden, fand 1939 statt, als der demokratische Senator Robert Wagner aus New York und die republikanische Kongressabgeordnete Edith Rogers aus Massachusetts in beiden Häusern des Kongresses ein Gesetz einbrachten, das 20.000 deutschen Flüchtlingskindern unter 14 Jahren innerhalb von zwei Jahren die Einreise außerhalb der Einwanderungsquoten ermöglichen sollte. Das Gesetz kam nie zur Abstimmung.

Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 stieg die Angst vor Unterwanderung und Spionage, während die inneramerikanischen wirtschaftlichen Belange und die nationale Sicherheit an erster Stelle standen. Das Außenministerium mahnte Konsularbeamt:innen, bei der Überprüfung von Antragstellern ganz besondere Sorgfalt walten zu lassen. Im Juli 1941, zeitgleich mit dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion und extremen Radikalisierung deutscher Vernichtungspolitik, wurden nicht nur alle US-Konsulate in den von den Nazis besetzten Gebieten geschlossen, sondern auch die gesamte Visakontrolle für Ausländer in Washington zentralisiert. Visumanträge wurden einem ressortübergreifenden Prüfungsausschuss vorgelegt, der sich aus Vertretern der Visa-Abteilung, des Immigration and Naturalization Service, des FBI, der Military Intelligence Division des Kriegsministeriums und des Office of Naval Intelligence des Marineministeriums zusammensetzte.

Potenzielle Antragsteller meldeten sich zunächst beim Konsulat an und wurden dann auf eine Warteliste gesetzt. In dieser Zeit konnten sie alle für die Erteilung eines Visums erforderlichen Dokumente zusammenstellen, darunter Ausweispapiere, polizeiliche Bescheinigungen, Ausreise- und Transitgenehmigungen sowie eidesstattliche Erklärungen über ihre Finanzen. Nach Kriegsbeginn wurden die Anforderungen zusätzlich erhöht: Die Antragsteller:innen mussten nun zwei statt einer eidesstattlichen Erklärung über ihre finanziellen Verhältnisse vorlegen sowie moralische Erklärungen von mehreren unparteiischen Personen, die ihre Identität und ihr Wohlverhalten bescheinigten. Ein amerikanischer Sponsor musste gefunden werden, der über die finanziellen Mittel verfügte, um zu gewährleisten, dass man dem Staat nicht zur Last fallen würde (Affidavit). Für viele Einwander:innen war dies der schwierigste Teil des amerikanischen Visumverfahrens. Sie mussten außerdem ein gültiges Schiffsticket vorweisen können, bevor sie ein Visum erhielten. Doch mit dem Ausbruch des Krieges und der Befürchtung, dass deutsche U-Boote Passagierschiffe angreifen würden, wurde die Schifffahrt über den Atlantik extrem riskant und drastisch reduziert.

Nach 1945 änderten Amerikaner:innen in der Regel ihre ablehnende Einstellung gegenüber Einwanderung trotz des immer klarer werdenden Grauens des Holocaust nicht. Laut einer Umfrage vom Dezember 1945 waren nur 5 % der Amerikaner:innen bereit, mehr europäische Einwander:innen aufzunehmen. Präsident Harry S. Truman befürwortete dagegen eine liberalere Einwanderungspolitik gegenüber Displaced Persons (DPs) und beschloss, dass DPs im Rahmen des bestehenden Quotensystems Vorrang bei der Erteilung von US-Visa eingeräumt werden sollte. Während die Gesamtzahl der Einwander:innen in die Vereinigten Staaten nicht anstieg, kamen zwischen dem 22. Dezember 1945 und dem 1. Juli 1948 zwischen 35.000 und 40.000, zumeist jüdische, DPs auf der Grundlage der Truman-Richtlinie in die Vereinigten Staaten. Darüber hinaus halfen die Vereinigten Staaten und die internationale Gemeinschaft mit einer Reihe von Richtlinien und Gesetzen den vertriebenen europäischen Geflüchteten bei der Einwanderung in neue, andere Länder. Die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1951 gewährte rechtlichen Schutz, legte jedoch Beschränkungen für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus fest. Die Vereinigten Staaten unterzeichneten die Flüchtlingskonvention von 1951 nicht, wohl aber das Flüchtlingsprotokoll der Vereinten Nationen von 1967.

    Fußnoten

  • 1https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/immigration-to-the-united-states-1933-41?parent=en%2F2419; https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/the-united-states-and-the-refugee-crisis-1938-41?parent=en%2F2419; https://exhibitions.ushmm.org/americans-and-the-holocaust/how-many-refugees-came-to-the-united-states-from-1933-1945; https://encyclopedia.ushmm.org/content/en/article/the-united-states-isolation-intervention?parent=en%2F12009.
  • 2Ritterband, Paul. „Counting the Jews of New York, 1900-1991“, Papers in Jewish Demography (1997). Zugriff: 8. September 2022.