Denkschrift über die Begründung einer Deutschen Akademie in New York. Juni 1936

In dieser Denkschrift wird die Erstellung der Deutschen Akademie der Künste zusammen mit der American Guild for German Cultural Freedom in New York begründet. Es wird beschrieben, welche Tätigkeiten die Akademie hat und wer die Mitglieder, sowie die Leute, die Hilfe von der Akademie bekommen werden, sind. Es wird nicht gesagt, wer diese Denkschrift geschrieben hat, jedoch ist dieser Text sehr ähnlich zu einem von Thomas Mann geschriebenen Text namens Die Deutsche Akademie in New York, auch in diesem Archiv vorhanden.

Denkschrift

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über die Begründung einer DEUTSCHEN AKADEMIE IN NEW YORK.

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Juni 1936.

In der Erkenntnis, dass die Freiheit des Geists, als erste und höchste Voraussetzung eines jeden menschlichen und kulturellen Fortschrittes, in der gegenwärtigen Welt vielerorts einen erbitterten und verzweilungsvollen Kampf um ihren Bestand zu führen hat; eingedenk im besonderen der Tatsache, dass dieser Abwehrkampf am heftigsten innerhalb des deutschen Kulturkreises zum Austrag kommt, dass die kulturelle Tradition der deutschen Völker durch die rücksichtslose Gewaltherrschaft planvoll unterdrückt und zerstört wird und damit ihr Fortleben innerhalb der Grenzen des deutschen Reiches gegenwärtig zu einer Unmöglichkeit geworden ist; endlich aber von den dringlichen Wunsche beseelt, über die bisher getroffenen Massnahmen hinaus ein höchst wirksames Instrument zu schaffen, welches geeignet ist, der verbannten deutschen Geisteswelt, den deutschen Schriftstellern, Gelehrten und Künstlern und besonders den Jungen unter ihnen, welche bisher nicht vermochten, sich ausserhalb Deutschlands Geltung zu verschaffen, die Möglichkeit zu geben, in ihren Arbeiten und Bemühungen fortfahren zu können und, unbedroht von politischen Kräften, welche dem wahren Wesen deutscher Geistigkeit und deutschen Kulturwillens einen erbarmungslosen Vernichtungskampf entgegenstellen, als freie Menschen die Tradition deutschen Geistes und deutschen Wissens am Leben zu erhalten, weiter zu führen und in allen ihren zweigen in jedem erdenklichen Mass der Welt zu erhalten und nutzbar zu machen, hat sich vor einem Jahr in New York ein Krise von Männern zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, welche unter dem Namen der AMERICAN GUILD FOR GERMAN CULTURAL FREEDOM die zur praktischen Verwirklichung dieser Ziele dienende Organisation geschaffen hat.

Diese Gesellschaft, die im Staate New York eingetragen ist und seit einiger Zeit auch in mehreren anderen amerikanischen Staaten zweiggesellschaften und ihr angeschlossene Ausschüsse besitzt, zählt zu ihren Begründern eine Reihe von hervorragender Persönlichkeiten, die in den Vereinigten Staaten über Rang und Geltung verfügen. Ihren Vorsitz führt George N. Schuster, die Herausgeber der Zeitschrift “Commonweal”; dem gründenden Komitee gehörten an Oswald Garrison Villard, der frühere Herausgeber der “Natio

Die Professoren Carlon J.H. Hayes, Horace M. Kallen und Melchior Palyi, Bronislav Hubermann, der frühere preussische Staatssekretär Dr. Hans Staudinger, Prinz Hubertus zu Löwenstein und zahlreiche andere. Ein besonderes Interesse und wirksame Unterstützung hat die AMERICAN GUILD FOR GERMAN CULTURAL FREEDOM sogleich nach ihrer Gründung bei führenden Persönlichkeiten der amerikanischen Filmindustrie und des amerikanischen Verlagswesens sowie in den GERMAN DEPARTMENTS der amerikanischen Universitäten gefunden. Dieser starke Widerhall bewies, dass diese Organisation eine Notwendigkeit ist, als solche in den Vereinigten Staaten vorbehaltlos anerkannt und warm begrüsst wird und einer grosszügigen und weitgehenden Förderung und Unterstützung ihrer Arbeit in der amerikanischen Oeffentlichkeit sicher ist.

Das Ziel und die Arbeit dieser ermutigender Weise gedeihenden amerikanischen Organisation ist es, die Freiheit und den Fortbestand einer Parteimässig nicht gebundenen deutschen künstlerischen und wissenschaftlichen Kultur für diese Gegenwart und für die Zukunft zu sichern. Die amerikanischen Freunde der deutschen Kultur sind sich bewusst, dass die ausserhalb des Deutschen Reiches lebenden Schriftsteller, Künstler und Gelehrten sich in schwerster Bedrängnis befinden und das vor allem der Nachwuchs auf allen diesen Gebieten in der gegenwärtigen Situation keine Möglichkeiten sieht, sich durchzusetzen. Die AMERICAN GUILD FOR GERMAN CULTURAL FREEDOM ist daher bestrebt in den Vereinigten Staaten Mittel aufzubringen, um der älteren wie der jüngeren Generation der schaffenden geistigen Deutschen Hilfe zu bringen.

Diese Hilfeleistungen sollen und werden jedoch nicht den Charakter persönlicher Unterstützungen oder einer Wohltätigkeitsaktion tragen. Vielmehr ist es ihr Sinn, da Deutschland seinen Besten seine Tore und seinen Markt verschliesst, in der deutschen oder deutsch denkenden und verstehenden Welt ausserhalb der Reichsgrenzen die deutsche Kulturtradition am Leben zu erhalten, dadurch, dass die deutschen Schriftstellern und Künstlern neue Märkte erschliesst und organisiert, dass die bestehenden deutschen Verlage im Ausland in ihrem schweren Kampf zur Unterstützung leiht und durch die Schaffung von Buchgemeinschaften und anderen zweckdienlichen Organisationen die deutsche Kultur- und Geistesarbeit in der Verbannung über die bisher Geschaffene hinaus in weitestem Mass und grösstem und umfassendsten Rahmen nutzbar macht.

Dieser weite Rahmen soll einen jeden Schaffenden in sich einschliessen, der aus den deutschen Kulturkreis kommt, ohne Rücksicht auf seine Religion oder Rasse und ungeachtet seiner politischen Bindung innerhalb der Front der Gegner des heute in Deutschland herrschenden politischen Systems. Die AMERICAN GUILD FOR GERMAN CULTURAL FREEDOM word nach ihrer Art, ihrem Charakter und ihren hohen Aufgaben als Organisation keine politische Stellung beziehen, sie wird deshalb niemals an irgend eine Beschränkung oder Eingrenzung der schriftstellerischen, künstlerischen oder geistigen Freiheit derer denken, für deren wohl zu wirklich sie sich vorgesetzt hat.

Die amerikanischen Freunde der deutschen Kultur wissen indessen sehr wohl, dass sie nur als Berater und Helfer wirken können, wenn auch in grösstem Mass, dass es aber den verbannten deutschen Künstlern, Schriftstellern und Gelehrten selbst überlassen bleiben muss, das Werk aufzubauen, dass vielleicht die Rettung der deutschen Kulturarbeit für Gegenwart und Zukunft bedeuten kann. Die AMERICAN GUILD FOR GERMAN CULTURAL FREEDOM richtet deshalb an alle diejenigen, für die sie zu wirken entschlossen ist, die Aufforderung, sie in dieser Arbeit dadurch zu unterstützen, dass sie sich zu einer grossen und umfassenden kulturellen und geistigen Körperschaft zusammenschliessen, die die Gesamtheit der Verbannten deutschen Geisteswelt nachdrücklich und weithin wirksam in der ganzen Welt zu repräsentieren vermag.

Sie fordert die deutschen deutschen Geistigen auf, sich zu seiner DEUTSCHEN AKADEMIE zu vereinigen, die ihren Sitz in New York haben soll und deren Aufgabe es sein soll, als höchste Autorität für den Wiederaufbau und die Verteidigung der deutschen Kulturgüter zu wirken und die von der AMERICAN GUILD FOR GERMAN CULTURAL FREEDOM aufgebracht Mittel zu verwalten und auf die gerechteste, Zweckdienlichkeit und fruchtbarste Weise zu verteilen und nutzbar zu machen.

Die Wirksamkeit einer solchen DEUTSCHEN AKADEMIE wird die Ausübung einer höchsten Schutzherrschaft über alles bedrohte deutsche Geistesgut sein. Sie wird aber über dies repräsentativen Aufgaben hinaus auch praktische haben. Sie wird die aufgebrachten Mittel dazu verwenden, bedürftigen wertvollen künstlerischen Kräften, Schriftstellern, Musikern und Gelehrten Stipendien zuzuführen und sie damit in die Lage zu setzen, in ihren Arbeiten fortzufahren.

Sie wird weiterhin auf diesen Mitteln jährliche Preise aussetzen, mit denen sie besonders ausgezeichnete Leistungen auf allen diesen Gebieten bedenkt und damit Trägern der Leistungen wie auch allen anderen neuen Mut und Antrieb zu neuer rastloser Arbeit geben. Die Mitglieder der Akademie, welche diese Preise zuerkennen, werden es daher als ihre besondere und höchste Pflicht erachten, mit diesen Literatur- und Kunstgeisten vor allem ihre jüngeren und unbekannteren Freunde und Kollegen zu bedenken, um ihnen auf diese Weise den ihnen noch fehlenden Widerhall in der Welt zu schaffen. Es wird an der hohen geistigen und künstlerischen Verantwortung der Mitglieder der DEUTSCHEN AKADEMIE sein, diesen Preisen jene weite und tiefgreifende Wirkung zu verleihen, deren sie bedürfen.

Die DEUTSCHE AKADEMIE wird weiterhin in die Möglichkeit haben, die hervorragendsten Arbeiten der Verbannten deutschen Künstler, Schriftsteller, Gelehrten und Musiker der Welt auf das nachdrücklichste zur Kenntnis zu bringen, dadurch, dass sie mit bestehenden Verlagshäusern in Europa und Amerika Vereinbarungen über die Publikation der preisgekrönten Arbeiten trifft, sowie der Arbeiten, die unter dem Schutz und mit den Stipendien der AKADEMIE geschaffen werden; dass sie, wo es erforderlich ist, die Uebersetzungen und Veröffentlichungen solcher Arbeiten durch Zuschüsse ermöglicht und Mittel zu ihrer Propagierung zur Verfügung stellt; dass sie parallele Abkommen mit Musikverlegern und Galerien trifft dass sie die Freunde der deutschen Kultur in deutschen und englischen Buchgemeinschaften organisiert und durch den systematischen Aufbau eine ständigen Publikums für die Arbeiten der verbannten deutschen Geistigen in dem hierfür noch kaum andeutungsweise erschlossenen Vereinigten Staaten ermöglicht; dass sie endlich sich auch der tatkräftigen Unterstützung des amerikanischen Buchhandels versichert und dadurch eine fortdauernde Werbung für deutsche Geistesgut in den Vereinigten Staaten erwirkt.

Die Tätigkeit der Mitglieder der DEUTSCHEN AKADEMIE wir daher eine ehrenamtliche sein. Sie wird nicht nur die Früchte der Arbeit der AMERICAN GUILD FOR GERMAN CULTURAL FREEDOM in ihrem eigenen Kreis nutzbar machen, sie wird auch umgekehrt wieder durch die verantwortungsvolle und weithin sichtbare Nutzbarmachung dieser Früchte der American Guild fortdauernd neuen Rückhalt und neue geistige Kraft und Autorität leihen können, auf welche die AMERICAN GUILD für die fortlaufende Aufbringung neuer Mittel nicht verzichten kann.

Die AMERICAN GUILD wird der DEUTSCHEN AKADEMIE hierhin wiederum praktischer Weise nützlich sein, indem sie in London eine europäisches Sekretariat mit einem ständigen Sekretär errichtet, welcher die fortdauernde Verbindung der europäischen Akademie-Mitglieder mit der amerikanischen Organisation aufrecht erhält und die laufende und rasche Verständigung der Mitglieder unter einander ermöglicht.

Durch die Tätigkeit dieses Sekretariats werden die Mitglieder der AKADEMIE vor aller organisatorischen Arbeit weitgehend entlastet werden, um zu ermöglichen, dass ihre Tätigkeit im Rahmen der AKADEMIE ohne sie mit neuen praktischen Bürden zu belasten, zu dem werde, was sie sein soll und zu gemeinsamen wohl der verbannten deutschen Geistigkeit sein muss: zu der höchsten und autoritativsten Schutzgesellschaft der verbannten deutschen Kultur in der ganzen zivilisierten Welt.

Die American Guild for German Cultural Freedom war eine 1935 gegründete Organisation, die deutschen Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen im Exil half, deren Arbeitsmöglichkeiten durch die faschistische Regierung in Deutschland beeinträchtigt wurden. Ziel der Organisation war es, die deutsche Kultur außerhalb Deutschlands am Leben zu erhalten, da sie innerhalb der deutschen Grenzen nicht überleben und gedeihen konnte. Die American Guild for German Cultural Freedom half diesen Menschen durch finanzielle Unterstützung und den Abschluss von Verträgen mit Verlagen. Die Flüchtlingserfahrung der deutschen Exilanten war für jeden Einzelnen unterschiedlich. Eine der Hauptschwierigkeiten auf der Flucht ist die Anpassung an einen völlig neuen Ort und das Finden eines Unterstützungssystems. Die American Guild for German Cultural Freedom versuchte, den deutschen Exilanten bei dieser Anpassung zu helfen, damit sie sich gleichzeitig auch auf ihre Arbeit konzentrieren konnten. Die Deutsche Akademie in New York sollte als langfristige Hilfe für die exilierten Deutschen sein.

Denkschrift über die Begründung einer Deutschen Akademie in New York, Juni 1936 ©  mit Genehmigung von dem Exilarchiv der Nationalbibliothek in Frankfurt, Deutschland.