Eine epische Reise nach Frankreich

Isabel Alonso Martin erzählt von ihrer beschwerlichen Reise nach Frankreich – Transit in ein neues Leben.

Je me souviens très bien du voyage pour la France qui a duré trois jours et a été épique (apoteosico). Nous avions d’abord dû aller à Caballeria de Navalmoral pour faire des photos pour le passeport. Nous avons voyagé tous les quatre avec une autre famille qui avait cinq enfants. Nous voyagions en troisième classe, avec des sièges en bois. Nous sommes partis un soir de Navalmoral et sommes arrivés le lendemain matin vers l0 h à Madrid. Là nous avons dû attendre le train pour lrun toute la journée à la Estacion del Norte. Ici, au village, il n’y avait pas de WC, on faisait nos besoins dans l’écurie (corral) et on ne portait pas de culotte ; ma mère m’a dit d’aller au “ retrete ” en face de la gare et m’a donné “ una perra gorda ” (10 c. de peseta) car c’était payant ; je n’ai pas osé faire caca car j’avais peur de salir tout ce blanc. Pour le voyage, mon père nous avait recommandé, si on nous parlait en français, de répondre : “ No compro pan. ” [Littéralement “ Je n’achète pas de pain ” mais qui s’entend “ Ne comprends pas. ”]

Ich erinnere mich sehr gut an die Reise nach Frankreich, die drei Tage dauerte und episch war. Zuerst mussten wir zur Caballeria de Navalmoral gehen, um Fotos für den Reisepass zu machen. Wir vier reisten mit einer anderen Familie, die fünf Kinder hatte. Wir reisten in der dritten Klasse, mit Holzsitzen. Wir verließen Navalmoral eines Abends und kamen am nächsten Morgen gegen 10:00 Uhr in Madrid an. Dort mussten wir am Nordbahnhof 11„an der Estacion del Norte“ den ganzen Tag auf den Zug warten. Hier im Dorf gab es keine Toiletten, wir mussten uns im Viehhof erleichtern und wir trugen keine Unterhosen; meine Mutter sagte mir, ich solle zur Toilette 22„Retrete“ gegenüber des Bahnhofs gehen und gab mir 10 Cent 33„una perra gorda“ (10 c. de peseta), weil es kostenpflichtig war; ich traute mich nicht zu kacken, weil ich Angst hatte, dieses ganze Weiß schmutzig zu machen. Für die Reise hatte mein Vater uns empfohlen, dass wir, wenn wir auf Französisch angesprochen werden, antworten sollten: „No compro pan“. 44Wörtlich: „Ich kaufe kein Brot“, was sich aber anhört wie: „Ich verstehe nicht.”

    Fußnoten

  • 1„an der Estacion del Norte“
  • 2„Retrete“
  • 3„una perra gorda“ (10 c. de peseta)
  • 4Wörtlich: „Ich kaufe kein Brot“, was sich aber anhört wie: „Ich verstehe nicht.”

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert entstand das sogenannte „Kleine Spanien“ im Pariser Vorort La Plaine Saint-Denis. 1931 machten Spanier*innen mit 4,5 Prozent der Gesamtbevölkerung in La Plaine Saint-Denis die größte Einwanderergemeinschaft aus.

Verschiedene spanische Migrant*innen hatten sich in Saint-Denis, Saint-Ouen und Aubervilliers nach drei zu unterscheidenden Migrationsbewegungen angesiedelt. Sogenannte Wirtschaftsmigrant*innen prägten das Jahrzehnt der 1920er. Nach der Zerschlagung des Aufstands in Asturien Ende 1934 fingen vor allem politische Geflüchtete an, in die Pariser Vororte einzutreffen und ihre Zahl stieg bis 1950 circa 1,5 Millionen nach der Niederlage des republikanischen Lagers 1939. Zwischen 1955 und 1970 folgte eine weitere Generation von spanischen Wirtschaftsmigrant*innen. 11« La petite Espagne de la Plaine-Sainte-Denis », https://www.tourisme93.com/la-petite-espagne-de-la-plaine-saint-denis.html [Zugriff am 28. Juli 2020].

Die Verbindung nach Spanien blieb für viele auch nach der Migration bestehen. Als der Bürgerkrieg in Spanien wütete, machten sich beispielsweise einige ethnisch-spanische Männer im Alter von 18 bis 46 aus der Plaine Saint-Denis auf den Weg zurück nach Spanien, um im republikanischen Lager zu kämpfen. Diejenigen, die in „Klein Spanien“ blieben, organisierten Unterstützungsnetzwerke für Kommunist*innen oder Anarchist*innen.

Die Aufnahmeerfahrungen unterschieden sich für spanische Migrant*innen in Abhängigkeit vom jeweiligen französischen Migrationsregime. Dieses wiederum veränderte sich mit der wirtschaftlichen und politischen Lage Frankreichs, doch Ausgrenzung und Diskriminierung beherrschte das leben vieler egal wann sie ankamen. Als Anfang 1939 beispielsweise spanisch-republikanische Bürgerkriegs-Geflüchtete einen buchstäblichen Exodus Richtung Frankreich antraten, von denen es viele auch nach Paris und Umgebung schlug, wurde es nur allzu augenscheinlich, dass sich Frankreich vom Land der Geflüchteten zum Land des erzwungenen Transits gewandelt hatte. Denn obwohl die französischen Autoritäten Ende der 1930er inzwischen sehr gut darauf vorbereitet gewesen wären, spanische Bürgerkriegs-Geflüchtete „human“ aufzunehmen, sprachen die innen- und außenpolitischen sowie wirtschaftlichen Entwicklungen offensichtlich dagegen: Einwanderung sollte unter der rechtsgerichteten Regierung Édouard Daladiers stark eingegrenzt werden und Geflüchteten so erschwert werden, in Frankreich zu bleiben. 22Scott Soo, The routes to exile: France and the Spanish Civil War refugees, 1939-2009 (New York : Manchester University Press, 2013), S. 1–3.

    Fußnoten

  • 1« La petite Espagne de la Plaine-Sainte-Denis », https://www.tourisme93.com/la-petite-espagne-de-la-plaine-saint-denis.html [Zugriff am 28. Juli 2020].
  • 2Scott Soo, The routes to exile: France and the Spanish Civil War refugees, 1939-2009 (New York : Manchester University Press, 2013), S. 1–3.

Ausschnitt aus dem Interview mit Isabel Alonso Martin, geführt von Natacha Lillo, Dozentin für spanische Zivilisation an der Universität Paris-Diderot (Paris 7), am 22. Juli 1998 in Talaveruela de la Vera.

Natacha Lillo, La Petite Espagne de la Plaine Saint-Denis (Paris: Autrement, 2004).