Joseph Roths düstere Prophezeiung Mitte Februar 1933, Paris

Der österreichische Schriftsteller Joseph Roth (1894–1939) wartete nicht lang und verließ Berlin kurze Zeit nach Hitlers Machtergreifung. Schon im Februar 1933 befand er sich in Paris – einer Stadt, der er sich seit den 1920er Jahren verbunden fühlte. Er floh quasi nach Hause. Tief geprägt von den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und ein wacher Beobachter des aufstrebenden deutschen Faschismus prophezeite er schon im Februar 1933 einen erneuten Krieg. Den Holocaust in seinen ganzen Dimensionen konnte er selbstverständlich nicht vorhersehen.

An Stefan Zweig

47, Rue Jacob

Hotel Jacob

Paris IV.

[Mitte Februar 1933]

Verehrter lieber Freund,

[…] Inzwischen wird es Ihnen klar sein, daß wir großen Katastrophen zutreiben. Abgesehen von den privaten – unsere literarische und materielle Existenz ist ja vernichtet – führt das Ganze zum neuen Krieg. Ich gebe keinen Heller mehr für unser Leben. Es ist gelungen, die Barbarei regieren zu lassen. Machen Sie Sich keine Illusionen. Die Hölle regiert.

Herzlichst Ihr alter

Joseph Roth

Joseph Roth gilt als einer der bekanntesten Journalisten der 1920er Jahre, als präziser Chronist, erfolgreicher Romanautor und engagierter Gegner des Nationalsozialismus. Sein literarisches und journalistisches Werk besteht aus Zeitungsartikeln, Glossen, Reiseberichten, Feuilletons, Romanen und Erzählungen.

Roth wuchs im ostgalizischen Brody auf, studierte in Lemberg und Wien, war Soldat im Ersten Weltkrieg und erlebte den Zusammenbruch Österreich-Ungarn – seiner Heimat. Nostalgie nach diesem multiethnischen Reich begleitete ihn den Rest seines Lebens und viele seiner Romane widmen sich dem Verlust von Heimat und der Erfahrung von Entwurzelung. Ab 1919 arbeitete er als Journalist für verschiedene Wiener, Berliner und Prager Zeitungen und Zeitschriften sowie für die Frankfurter Zeitung.

Ab 1933 durfte Roth als Jude dort nicht mehr publizieren. Er verließ Deutschland endgültig und führte sein Engagement gegen die nationalsozialistische Diktatur im Pariser Exil fort. Er engagierte sich für die Geflüchtetenhilfe, zum Beispiel für Entre‘ Aide Autrichienne und pflegte intensive Verbindungen zu geflüchteten Schicksalgenoss*innen, unter ihnen Stefan Zweig (1881–1942), an den auch der zitierte Brief adressiert war, Ernst Toller (1893–1939), Egon Erwin Kisch (1885–1948), Soma Morgenstern (1890–1976) und Irmgard Keun (1905–1982). Die meiste Zeit lebte er in Paris in Hotels. Das Café Le Tournon wurde für Roth zum Hauptaufenthaltsort, an dem er seine „Entourage“ um sich versammelte. Schwer alkoholkrank waren seine letzten Jahre deutlich geprägt von den politischen Verhältnissen und den Erfahrungen des Geflüchtetendaseins. Den Zweiten Weltkrieg erlebte er nicht mehr; er starb am 27. Mai 1939 im Pariser Armenhospital Hôpital Necker. 11https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Personen/roth-joseph.html

Tief geprägt von den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges und ein wacher Beobachter des aufstrebenden deutschen Faschismus prophezeite er in diesem Brief an Stefan Zweig schon im Februar 1933 einen erneuten Krieg. Den Holocaust in seinen ganzen Dimensionen konnte er selbstverständlich nicht vorhersehen.

    Fußnoten

  • 1https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Personen/roth-joseph.html

Joseph Roth an Stefan Zweig, Mitte Februar 1933, Paris.

Roth, Joseph, 1970: Briefe 1911–1939, hrsg. von Hermann Kesten. Köln: Kiepenheuer & Witsch. S. 249.