Paul-Adolphe Löffler über die ungarische Emigration

In seinen Tagebucheinträgen beschreibt der Schriftsteller und Journalist Paul-Adolphe Löffler (1901-1979) sein Verhältnis zur ungarischen Emigrant*innengemeinschaft, das von Sehnsucht einerseits und Desillusionierung andererseits geprägt ist.

Armensiedlung, Paris, 1935 © Fred Stein Archive.

5 mai 1925. Je ne peux pas rester l’écart de l’émigration hongroise. Mais je ne trouve pas le contact, que je cherche en vain, avec les communistes ; j’adhére å la Ligue dont le président est Mihåly Kårolyi. Il est le plus honnéte homme qu’on puisse rencontrer dans la vie. Et méme adhérent å la Ligue, je peux rester communiste.

[…]

23 février 1934. En face de la gare du Nord, dans un Café, joue un orchestre hongrois, habillé en costume national. Un groupe de musiciens français, sans travail, a brisé les glaces du café et blessé plusieurs musiciens hongrois. Le cafetier a supprimé la musique, mais n’a pas embauché de musiciens français à leur place.

[…]

12 octobre 1937. […] J’aurais aimé voyager, voir le monde (on veut toujours être là où on n’est pas). Mais je ne voulais jamais quitter Budapest pour toujours. C’est ä Budapest, au mont des Trois- Confins, que mon ami d’enfance, Pista, et moi, avons transformé en Far-West. Plus tard, au Bastion du Pécheur, j ‚ai réalisé mon premier amour, très naïvement… que cela était beau. Combien de souvenirs se sont perdus dans I ‚obscurité. J’ai appris å aimer Paris aussi. Pour son passé historique. Pour les années dures et difficiles que j’y ai passées, et pour celles qui viennent. Pour son peuple et pour son agaçant « je m’en foutisme »… et malgré sa xénophobie qui revient de temps en temps. Pour ceux qui sont devenus mes amis, Français qui sont tels que nous, les étrangers, les idéalisons.

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[non-daté] Samedi: jour de paye. Dimanche: double fête. D ‚abord parce qu’il ne faut pas travailler, deuxièmement parce que je déjeune dans un restaurant hongrois, rue François-Miron, pour manger quelque chose «du pays». […] Je me sens bien dans ce restaurant hongrois où à toutes les tables on parle hongrois. Pendant une heure, je suis en Hongrie. Ce dimanche, j’ai entendu, en plus, une bonne nouvelle. À la table voisine, deux hommes ont conversé et, peut-être pour que je les entende, ils ont parlé assez haut. Ils ont parlé d’un journal hongrois qui allait paraître bientôt. J’étais intrigué mais ma modestie m ‚empêchait de les aborder.

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Je lis les journaux français, mais c’est fatigant, leur langage n’est pas le même que celui des revues. Il y a des mots que je n’arrive pas å saisir.

Le vide autour de moi est trop dense. Toujours la solitude. Pendant un laps de temps, j’ai fréquenté les Hongrois au café Saint-Paul, ils m’ont désenchanté, je les évite. Peut-être, suis-je injuste envers eux. Presque tous sont sans travail ou ont la phobie du travail ; peut- être ceux-là, naguère, étaient des ouvriers courageux mais les longs chômages, la vaine recherche quotidienne du travail, les ont déchu chaque jour davantage, et ils sont devenus vagabonds. Ils en viennent à pratiquer le tapage.

5. Mai 1925. Ich kann nicht abseits der ungarischen Emigration bleiben. Aber ich finde nicht den Kontakt, den ich vergebens suche, mit den Kommunisten; ich trete der Liga bei, deren Präsident Mihaly Karolyi ist. Er ist der ehrlichste Mann, den man im Leben treffen kann. Und auch als Mitglied der Liga kann ich Kommunist bleiben.

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23. Februar 1934. Gegenüber des Nordbahnhofs, in einem Café, spielt ein ungarisches Orchester, in Nationaltracht gekleidet. Eine Gruppe französischer Musiker, ohne Arbeit, hat die Fenster des Cafés zerschlagen und mehrere ungarische Musiker verletzt. Der Cafébesitzer hat die Musik beendet, aber hat an ihrer Stelle keine französischen Musiker eingestellt.

[…]

12. Oktober 1937. […] Ich wäre gerne gereist, hätte gerne die Welt gesehen (man will immer dort sein, wo man nicht ist). Aber ich wollte Budapest nie für immer verlassen. Es war in Budapest, dass mein Kindheitsfreund Pista und ich den Mont des Trois-Confins in den Wilden Westen verwandelt haben. Später, an der Fischerbastion, habe ich meine erste Liebe erlebt, sehr naiv … wie schön das war. Ich habe gelernt, auch Paris zu lieben. Für seine geschichtsträchtige Vergangenheit. Für die harten und schwierigen Jahre, die ich dort verbracht habe, und für jene, die kommen. Für sein Volk und für seine anstrengende „Ich geb nichts darauf“-Haltung … und trotzt seiner Fremdenfeindlichkeit, die dann und wann wiederkehrt. Für diejenigen, die meine Freunde geworden sind, idealisieren die Franzosen, die so sind wie wir Ausländer, sie.

[…]

[undatiert] Samstag: Zahltag. Sonntag: doppelte Feier. Erstens, weil ich nicht arbeiten muss, zweitens, weil ich in einem ungarischen Restaurant zu Mittag esse, in der Rue François-Miron, um etwas „aus der Heimat“ zu essen. […] Ich fühle mich wohl in diesem ungarischen Restaurant, wo man an allen Tischen Ungarisch spricht. Für eine Stunde bin ich in Ungarn. Diesen Sonntag, habe ich außerdem eine gute Nachricht gehört. Am Nachbartisch unterhielten sich zwei Männer, vielleicht haben sie ziemlich laut gesprochen, damit ich sie höre. Sie sprachen über eine ungarische Zeitung, die bald erscheinen würde. Ich war neugierig, aber meine Bescheidenheit hielt mich davon ab, sie anzusprechen.

[…] Ich lese französische Zeitungen, aber das ist ermüdend, ihre Sprache ist nicht dieselbe wie die der Zeitungen. Es gibt Worte, die ich nicht verstehen kann.

Die Leere um mich ist zu dicht. Ständig die Einsamkeit. Eine Zeit lang habe ich die Ungarn im Café Saint-Paul getroffen, sie haben mich desillusioniert, ich meide sie. Vielleicht bin ich ungerecht ihnen gegenüber. Fast alle sind ohne Arbeit oder haben Angst vor der Arbeit; vielleicht waren jene einst mutige Arbeiter, aber die langen Arbeitslosigkeiten, die vergebene alltägliche Suche nach Arbeit haben sie erniedrigt und sie sind Vagabunden geworden. Daher kommt es, dass sie Spektakel machen.

Der Schriftsteller und Journalist Paul-Adolphe Löffler (1901-1979) floh 1924 vor dem faschistischen Regime in Ungarn nach Paris. Löffler hatte sich 1918 der kommunistischen Jugend angeschlossen. Nach dem Sturz der Regierung von Béla Kun lebte er kurze Zeit in der Unsicherheit einer Denunziation an die Polizei Horthys in Budapest. Seine Frau Ilonka und seinen Sohn Michel hatte Paul-Adolphe Löffler bei der überstürzten Flucht – ein Nachbar hatte ihn aufgrund seiner Nähe zu kommunistischen Kreisen denunziert – in Budapest zurücklassen müssen; sie zogen kurze Zeit später zu ihm in die französische Hauptstadt. Mit gering bezahlten, oftmals Gelegenheitsjobs in den verschiedensten Branchen schlugen sie sich in Paris durch, das von den Ungewissheiten der Zwischenkriegszeit und den politisch-ökonomischen Auswirkungen der Wirtschaftskrise geprägt war.

In seinem Tagebuch Journal de Paris d’un exilé (Pariser Tagebuch eines Geflohenen) schildert Paul-Adolphe Löffler die alltäglichen Entbehrungen und Sorgen, die immer wiederkehrenden hoffnungslosen Phasen der Arbeitslosigkeit, wachsende Xenophobie und Antisemitismus und die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung der vielen Tausend ausländischen Arbeiter*innen in Frankreich. Ebenso präsent ist auch seine Mitgliedschaft in diversen Organisationen und Schriftstellerzirkeln. 1934 wurde er Mitglied der französischen Kommunistischen Partei und war in verschiedenen Ämtern für die ungarisch-diasporische Bewegung „Mouvement du 1er septembre“ (später „Mouvement pour la Paix et la Liberté“) tätig. Zwischen 1930 und 1935 ist sein Leben von langen Phasen der Arbeitslosigkeit und damit verbundener Misere und Depressionen geprägt.

In den Tagebucheinträgen von 1925-1937 schreibt er über sein Verhältnis zur ungarischen Emigrant*innengemeinschaft in Paris, das von Sehnsucht nach Ungarn und Desillusionierung geprägt ist.

1935 findet Löffler längerfristig eine Arbeit als Zeichner in Paris, die er bis zu seiner Rente ausführt. 1973 publizierte Löffler sein Tagebuch, das vermutlich auf ungarischen und französischen Fragmenten aus der Zeit zwischen 1924 und 1939 sowie später hinzugefügten Erinnerungen basiert und vor der Veröffentlichung bearbeitet wurde. Das Tagebuch endet mit dem Jahr 1939, in dem Löffler sich der Résistance gegen die deutsche Besatzung Frankreichs anschließt und dort u.a. die Untergrundpresse verteilt und geheime Treffen in der Region Seine-et-Marne organisiert. Paris als „Stadt des Lichts“ und der Aufklärung erscheint in Löfflers Tagebuch als schillernder Sehnsuchtsort, der ihn allerdings regelmäßig enttäuscht. Als Geflüchteter mit einem gefälschten Pass kommt er mit dem Zug am Pariser Ostbahnhof an, wo die Stadt ihn unmittelbar seiner Illusionen beraubt: Sie erscheint ihm weniger schön und sonnig als erwartet, doch er hofft, dass der nächste Tag besser werde.

Löffler, Paul-Adolphe, 1974: Journal de Paris d’un exilé (1924-1939).

Foto veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Peter Stein © Fred Stein Archiv

Übersetzung von Minor Kontor