Ablehnungsbrief von Markus Wolf an Lessie Sachs Wagner, Januar 1940

Lessie Sachs Wagner hat bei der American Guild for German Cultural Freedom finanzielle Unterstützung beantragt, die in diesem Schreiben abgelehnt wird.

Januar

8th

1940

 

Mrs. Lessie Sachs Wagner

161 West 72nd Street

New York, N.Y.

 

Sehr geehrte gnädige Frau:

Wir bedauern außerordentlich, Ihnen die Mitteilung machen zu muessen, dass der Board of Directors Ihren Ansuchen um ein Stipendium leider nicht stattgeben konnte, da die europäischen Probleme allzusehr im Vordergrund stehen. Zudem erscheint die Veroeffentlichung eines Gedichtbandes in deutscher Sprache unter den heutigen Umstaenden als nahezu ausgeschlossen.

Mit den besten Empfehlungen,

Ihr sehr ergebener

Markus Wolf

Lessie Sachs-Wagner (1872-1942) geboren in Breslau war eine deutsche Künstlerin, Dichterin und Autorin jüdischen Ursprungs. Sie studierte an der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe und danach an der Mal- und Zeichenschule für Frauen in München. Während sie in München studierte trat sie in 1919 der Kommunistischen Partei Deutschlands KDP bei. Sie wurde im Jahr 1920 für sechs Monate im Strafgefängnis Breslau XII inhaftiert. In dieser Zeit schrieb sie weiterhin Gedichte.

Im Jahr 1933 heiratete sie den Pianist Josef Wagner. Ein Jahr später wurde ihre Tochter Dorothee geboren. Die Familie entschied im Jahr 1937 Deutschland verlassen. Sie flüchteten in die Vereinigten Staaten, wo sie in New York lebten. Sie starb 1942 an Krebs. Nach ihrem Tod veröffentlichte Josef Wagner den Band „Tag- und Nachtgedichten“ aus ihren Gedichten mit einem Vorwort von Heinrich Mann.

Die American Guild for German Cultural Freedom war eine Organisation, die deutschen Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen im Exil half, deren Arbeitsmöglichkeiten durch die faschistische Regierung in Deutschland beeinträchtigt waren. Das Ziel der Organisation war es, die deutsche Kultur außerhalb Deutschlands am Leben zu erhalten. Die American Guild for German Cultural Freedom half diesen Menschen durch finanzielle Unterstützung. Die Flucht- und Ankommenserfahrung der deutschen Exilierten war für jeden Einzelnen unterschiedlich. Eine der Hauptschwierigkeiten ist die Anpassung an einen völlig neuen Ort und das Auffinden eines Unterstützungssystems. Die American Guild for German Cultural Freedom versuchte, die deutschen Exilierten so zu unterstützen, dass sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren konnten. Mit Fortschreiten des Krieges wurde die American Guild im Dezember 1940 abgewickelt.

Brief von Markus Wolf an Lessie Sachs Wagner, Januar 1940 © Deutsches Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek.