The Arrival of Hannah Arendt
Dieser Film beschreibt das Ankommen von Hannah Arendt - einer jüdischen, deutsch-amerikanischen politischen Theoretikerin und Publizistin - in New York und ihre Reflektionen über Flucht und Unterstützung beim Neuanfang.
Nein, an eine Rückkehr nach Wien habe ich niemals gedacht, denn mit meinen ehemaligen Landsleuten, den Österreichern, will ich nichts mehr zu tun haben. Man muss aber keinen Hass haben und keine Rachegefühle. Man kann sich doch nicht genauso schlimm benehmen wie Hitler und die Nazis. 32 Mitglieder meiner Familie wurden deportiert und überlebten den Holocaust nicht. Nicht einmal die Mutter, der ich, nachdem ich im Dezember 1939 nach Amerika gekommen war, ein Affidavit geschickt habe. Darin sind die Amerikaner schuld. Mir ist klar, dass Amerika eigentlich meine Mutter umgebracht hat. Die Mutter (durch ihre Heirat noch ungarische Staatsbürgerin) hat von der amerikanischen Botschaft kein Visum erhalten, weil sie nicht im Besitz eines Passes war. Den hatten die ungarischen Behörden ihr nur ausgestellt, wenn sie mindestens drei Monate lang in Ungarn gelebt hätte. Aber das ging doch nicht mehr zu diesem Zeitpunkt. Ungarn war inzwischen auch okkupiert und verweigerte Juden die Einreiseerlaubnis. Und weil die amerikanischen Bürokraten kein Einsehen gehabt haben, ist das Affidavit verfallen. Und auch meine Mutter ist also deportiert worden, 1941 nach Linzmannstadt, und wie die anderen Verwandten umgekommen. […]
Ich hatte also noch genügend Gelegenheit, die österreichischen Faschisten kennenzulernen. Mir erzählt niemand, dass das alles nur eingewanderte Deutsche gewesen sind. Jedenfalls hatte ich ab dem Moment, da ich von Österreich fortgegangen bin, das Gefühl, meine Wurzeln sind abgeschnitten. Es war nichts mehr daran zu ändern. Vorbei. Da wird man von dem Land, in dem man sein Leben lang gelebt und gearbeitet hat, hinausgeworfen, und hier ist man sofort gleichwertig und als amerikanischer Künstler akzeptiert. Ich war so gerührt darüber,- so etwas gibt es in keinem anderen Land. Ich war damals noch nicht einmal ein Jahr in den Staaten. Ja,- since then I am an American craftsman… Stellen Sie sich vor, das State Department hat Sachen von mir gekauft, hat sie ins Ausland geschickt und vorgestellt als Werke einer Künstlerin ausländischer Herkunft, die die amerikanische Kunst beeinflusst. […]
Ich habe niemals ein Refugee-Dasein geführt. Es ist eher Zufall gewesen, wenn meine Freunde deutscher oder österreichischer Abstammung waren. Das war alles sehr kosmopolitisch. Ich habe mich nie in diesem sogenannten Emigrantengetto bewegt. Auslandsösterreicher sind doch aus freiem Willen im Ausland, oder? Das bin ich ja nicht. Ich bin doch nicht freiwillig aus Österreich weggegangen. Dass ich hier ein Heim gefunden habe ist ein anderer Kaffee. Österreicherin, das kann ich sagen, bin ich keine mehr. Ich bin und bleibe eine Emigrantin, absolut. Ich habe einen amerikanischen Pass und ich fühle mich wohl hier.
Käthe Berl war eine bekannte österreichisch-amerikanische Künstlerin, sie wurde 1908 in Wien in einer jüdischen Familie geboren. Sie absolvierte in Wien an der Kunstgewerbeschule eine Ausbildung zur Kostümbildnerin, publizierte auch als Mitglied der Jugendkunstklasse ein erstes Buch mit Gedichten und Illustrationen und übernahm sogar die künstlerische Umsetzung der Entwürfe eines in Wien lebenden amerikanischen Ingenieurs. Die sich dabei zu ihm und seiner Frau entwickelnde Freundschaft wurde später, als es um die Emigration und den Neuanfang in Amerika geht, zum Grundstein ihres neuen Lebens. In der NS-Zeit wurde ihre Familie deportiert und überlebte den Holocaust nicht. Ende 1938 gelang ihr mit Hilfe einer Freundin die Flcuht erst nach London und im Dezember 1939 nach New York. In den USA erlangte sie schnell Anerkennung als Künstlerin und stellte ihre künstlerischen Arbeiten in Museen in New York aus.
Elfi Hartenstein, 1991: Heimat wider Willen. Emigranten in New York – Begegnungen. Berg am See, S.64-70.