Selbsthilfe polnisch-jüdischer Geflüchteter in Vilnius
Bilderreihe des Jewish Joint Distribution Committee
Ich bekam dort carte blanche [Französisch für „weiße Karte“; bedeutet Handlungsfreiheit, Anm. WRA] für die Fälle, die [mir ganz dringend erschienen]. Und nicht nur Plätze, sondern auch Finanzierung. Also, unglaublich.
Und auf diese Weise verfügte ich über Möglichkeiten, die enorm waren. Und damit bekam ich also diesen Brief weg. Und ich wollte mich verlassen – ich wusste zwar, dass eine motorisierte Division der Nazis an der [spanischen] Grenze [war], das wusste ich genau – und ich wollte mich verlassen auf die Zusage, die ich durch Vermittlung von führenden englischen Leverleuten [Vermittler:innen] erhalten hatte, von englischen Botschaften, dass sie in einem solchen Fall im U-Boot uns mitnehmen würden. Die Zusage war da, aber ich war nicht sicher, was daraus geworden wäre.
Jedenfalls, die Arbeit, die ich machte, gab so unmittelbare Resultate und Wirkung. Das waren gewonnene Menschenleben.
Max Diamant (1903-1992) war ein Gewerkschafter, Journalist und Fluchthelfer.
Diamant wird im polnischen Łódź in eine jüdische Familie geboren und wächst dreisprachig mit Jiddisch, Russisch und Deutsch auf. Seine Eltern sind Mitglieder des Bund, der jüdischen sozialistischen Arbeiterpartei. Im Jahr 1919 geht Max zur Schule nach Mannheim, wo er bei Verwandten lebt. Fünf Jahre später migriert er mit seiner Familie in die Sowjetunion, kehrt jedoch 1927 nach Mannheim zurück, wo er seine Frau Anni Nord kennenlernt und für die sozialdemokratische Zeitung „Volksstimme“ schreibt. Seine journalistische Arbeit widmet er dem Kampf gegen die aufsteigenden Nationalsozialisten: Er verfasst zahlreiche Artikel über das Erstarken der nationalsozialistischen Strukturen, unter anderem unter Studierenden an der Heidelberger Universität, wo er studiert.
Diamant ist Mitbegründer der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP). Als politisch aktiver Sozialdemokrat und Journalist ist Max Diamant bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme der Verfolgung ausgesetzt. Er flieht 1933 mit Anni Nord und seinem 11-jährigen Bruder Arnold nach Straßburg, 1934 weiter nach Paris. In Paris angekommen, arbeitet Max Diamant fortan in der dortigen Auslandszentrale der SAP und ist Redakteur der antifaschistischen Zeitung „Neue Front“ sowie Herausgeber der sozialistischen Zeitschrift „Marxistische Tribüne“. In Frankreich erhalten Diamant und Anni Nord den Status von Asylberechtigten und leben später mit ihren Freund*innen Paul Frölich und Rosi Wolfstein in einem Haus in Vanves. Als 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbricht, reist Diamant als Parteivertreter der SAP nach Spanien, um die dortige Marxistische Arbeiterpartei zu unterstützen.
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 werden jedoch auch Diamant und Nord von Frankreich zu „feindlichen Ausländern“ erklärt und zeitweise in Lagern interniert. Ihnen gelingt die Flucht nach Montauban in die Bretagne und von dort nach Marseille. In Marseille schließt sich das Ehepaar dem Fluchthilfenetzwerk Centre Américain de Secours (CAS) um den US-Amerikaner Varian Fry an. Im September 1941 spitzt sich die Bedrohung zu und Diamant flieht weiter nach Lissabon, wo er sich weiter in der Fluchthilfe engagiert. Von dieser Zeit, in der er von Lissabon aus in Verbindung mit dem Emergency Rescue Committee steht und Visen und Ausreise für in Portugal gestrandete Menschen organisiert, erzählt er in diesem Interviewausschnit aus dem Jahr 1983. Von Lissabon gelangt Diamant 1942 nach Mexiko. Erst im Jahr 1962 kehrt er mit seiner Familie nach Deutschland zurück. In Frankfurt baut er in der Gewerkschaft IG Metall mit dem Ziel der internationalen Vernetzung von Arbeiter*innen die Abteilung „Ausländische Arbeitnehmer“ auf. Max Diamant stirbt 1992 in Frankfurt.
Max Diamant in einem Interview mit Beatrix Herlemann 1983 über seine Fluchthilfe, Privatarchiv Doris Diamant. Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Doris Diamant.