Reisepass des Deutschen Reichs für Fritz Neumark

Auch im Exil konnte man als Inhaber:innen eines deutschen Passes der antisemitischen Verfolgung nicht entkommen. So musste sich auch Fritz Neumark 1939 ein „J“ in seinen Pass stempeln lassen. 1940 war er gezwungen, den Zwangsvornamen „Israel“ eintragen zu lassen.

Fritz Neumark war ein deutsch-jüdischer Finanzwissenschaftler und in den Jahren 1954/55 und 1961/62 Rektor der Universität Frankfurt.

Im Frühjahr 1933 verlor Fritz Neumark aufgrund seiner jüdischen Herkunft seine Professur an der Universität Frankfurt. Im September 1933 emigrierte er mit seiner Frau und den beiden Kindern, die zwei und vier Jahre alt waren, in die Türkei. Durch Vermittlung der Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland konnte er an der Universität Istanbul eine Professur im Fachgebiet Sozialhygiene und Statistik antreten. Unter dem damaligen Präsidenten Mustafa Kemal Atatürk waren deutsche Wissenschaftler:innen dort willkommen. Mit ihrem Fachwissen sollten insbesondere Wissenschaftler:innen bei der Entwicklung und Modernisierung der Türkei mitwirken.

Er gewöhnte sich rasch ein und lernte schnell Türkisch. Das ermöglichte ihm einen intensiven Kontakt zu seinen Studierenden. Fritz Neumark gab bald eine wirtschaftswissenschaftliche Fachzeitschrift heraus und schrieb zahlreiche Fachpublikationen. Nach Kriegsende blieb Fritz Neumark zunächst in der Türkei und leitete ab 1946 das neugegründete finanzwissenschaftliche Institut der Universität Istanbul. Er beriet die türkische Regierung und die Zentralbank und war an der Reform des türkischen Steuersystems beteiligt. Als er 1949 einen Ruf an die Universität Frankfurt erhielt, nahm er diesen zunächst nur als Gast wahr. 1952 entschloss er sich, dauerhaft nach Deutschland zurückzukehren. Die deutsche Staatsbürgerschaft nahm er, neben der türkischen, erst 1954 wieder an.

Ab 1933 lud die Türkei spezialisierte Fachkräfte sowie Angehörige wissenschaftlicher und künstlerischer Berufe aus Deutschland zur Einwanderung ein. Sie sollten bei der Entwicklung des wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens mitwirken. Viele erhielten leitende Positionen, etwa in Ministerien oder an Hochschulen. An der Universität Istanbul waren bis Mitte der 1940er Jahre über die Hälfte der Lehrstühle mit Exilierten besetzt. Sie gaben ihr fachliches und institutionelles Wissen weiter und erhielten dafür ein Spezialistengehalt. Zu den Vertragsbedingungen gehörte aber auch das schnelle Erlernen der Sprache, um bald auf Türkisch unterrichten und publizieren zu können. Politische Betätigung war den Emigrierten verboten.

 

Reisepass des Deutschen Reichs für Fritz Neumark, ausgestellt vom deutschen Konsulat, Istanbul, 1936 © Deutsches Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek, NL Fritz Neumark, EB 91/155, mit Dank an Bruce Peabody und Familie Neumark.