Der Schriftsteller und Journalist Paul-Adolphe Löffler (1901-1979) schreibt über die anfängliche Einsamkeit, unter der er in der ersten Zeit in Paris ohne seine Familie leidet, sowie den Schwierigkeiten Arbeit und gesellschaftlichen Zugang zu finden.
[non daté] […] Au commencement, j’ai travaillé beaucoup, après le travail, j’étais très fatigué. Mais après un certain temps j’ai pris la cadence des autres. Quand j’ai commencé å écrire des articles pour un journal de Kolozsvàr (en Roumanie), j’ai écrit mes articles dans un wagon vide. C’était ainsi que pendant des mois, la moitié du jour, j’étais « journalier », l’autre moitié « journaliste ». Pour le premier, j’ai reçu cent vingt francs par semaine, pour je deuxième des promesses… beaucoup.
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Déjà, la deuxième semaine, la malédiction de la solitude m’a accablé. J’ai laissé Ilonka en Hongrie, la nostalgie me prend. Je la désire comme l’homme assoiffé dans le Sahara. Quand je l’ai quittée, je ne voyais pas, je ne me rendais pas compte qu’elle était très jeune (comme moi-même d’ailleurs) ; ni que notre fils, Michel, n’avait qu’å peine trois mois. Mais je n’avais pas d’autre choix… L’un de nos voisins, après m’avoir croisé dans la rue, avait crié : « Terroriste ! Terroriste ! », en me désignant… En effet… En 1917, j’avais fait la connaissance, dans une réunion socialiste, d’un marin : Cserny. Pendant la République des Conseils en 1919, Cserny était le commissaire politique des « Gars de Lénine », une compagne spécialisée dans la répression des éventuels mouvements contre-révolutionnaires. Je me suis présenté chez lui pour, servir. Je suis resté quatre semaines chez lui… Mais, encore aujourd’hui, je ne sais pas pourquoi le voisin m’en voulait. Je ne pouvais plus rester å Budapest.
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Les jours passent, incolores, sans événement. C’est seulement le soir quand nous sommes ensemble que je sens la chaleur de la vie. Elle est gentille, Ilonka, elle ne se plaint jamais d’étre obligée de se lever de bonne heure ; å midi, elle déjeune d’un cornet de frites en se promenant dans la rue. Samedi aprés-midi, elle fait la lessive. Que je hais cette société dans laquelle nous vivons ! Vivons ? Existons. Nous existons obscurément dans la ville lumiére. Nous et d’autres milliers.
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13 janvier 1925. Nous vivons difficilement.. Je ne peux pas supporter cette vie passive. Je suis fait pour la lutte. Jusqu’å présent, je n’ai pas bougé, craignant l’expulsion. Mais je ne peux pas continuer dans l’inactivité. Il faut que je reprenne ma Place dans la lutte. Lutter contre les faux prophétes et contre les injustices. Je désire écrire.
Zu Beginn arbeitete ich viel, nach der Arbeit war ich sehr müde. Aber nach einer Zeit habe ich den Rhythmus der anderen übernommen. Als ich anfing, Artikel für eine Zeitung aus Kolozsvàr (Rumänien) zu schreiben, schrieb ich meine Artikel in einem leeren Waggon. Auf diese Weise war ich über Monate für die Hälfte des Tages „Tagelöhner“ für die andere Hälfte „Journalist“.
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Schon in der zweiten Woche hat mich der Unsegen der Einsamkeit überwältigt. Ich habe Ilonka in Ungarn gelassen, die Nostalgie überkommt mich. Ich begehre sie wie der durstige Mann in der Sahara. Als ich sie zurückließ sah ich nicht, war ich mir nicht bewusst, dass sie sehr jung war (wie ich selbst übrigens); noch dass unser Sohn, Michel, gerade einmal drei Monate alt war. Aber ich hatte keine andere Wahl… Einer unserer Nachbarn, nachdem er mich auf der Straße getroffen hatte, hatte gerufen: „Terrorist! Terrorist!“ während er auf mich zeigte… In der Tat… 1917 hatte ich während eines sozialistischen Treffens einen Matrosen kennengelernt: Cserny. […] Aber heute immer noch weiß ich nicht, was der Nachbar mir verübelte. Ich konnte nicht länger in Budapest bleiben.
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Die Tage vergehen, farblos, ohne Ereignis. Nur am Abend, wenn wir zusammen sind, spüre ich die Wärme des Lebens. Sie ist freundlich, Ilkonka, sie beschwert sich nie, dass sie früh aufstehen muss; mittags isst sie eine Tüte Pommes Frites auf der Straße, während sie auf der Straße spaziert. Samstagnachmittag macht sie die Wäsche. Wie ich diese Gesellschaft hasse, in der wir leben! Leben? Existieren. Wir existieren dunkel in der Stadt des Lichts. Wir und andere Tausende.
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13. Januar 1925. Wir leben schwerlich … Ich kann dieses passive Leben nicht ertragen. Ich bin für den Kampf gemacht. Bis jetzt habe ich mich nicht gerührt, die Ausweisung fürchtend. Aber ich kann nicht in der Inaktivität weitermachen. Ich muss meinen Platz im Kampf wieder aufnehmen. Gegen die falschen Propheten und gegen die Ungerechtigkeiten kämpfen. Ich will schreiben.
Der Schriftsteller und Journalist Paul-Adolphe Löffler (1901-1979) floh 1924 vor dem faschistischen Regime in Ungarn nach Paris. Löffler hatte sich 1918 der kommunistischen Jugend angeschlossen. Nach dem Sturz der Regierung von Béla Kun lebte er kurze Zeit in der Unsicherheit einer Denunziation an die Polizei Horthys in Budapest. Seine Frau Ilonka und seinen Sohn Michel hatte Paul-Adolphe Löffler bei der überstürzten Flucht – ein Nachbar hatte ihn aufgrund seiner Nähe zu kommunistischen Kreisen denunziert – in Budapest zurücklassen müssen; sie zogen kurze Zeit später zu ihm in die französische Hauptstadt. Mit gering bezahlten, oftmals Gelegenheitsjobs in den verschiedensten Branchen schlugen sie sich in Paris durch, das von den Ungewissheiten der Zwischenkriegszeit und den politisch-ökonomischen Auswirkungen der Wirtschaftskrise geprägt war.
In seinem Tagebuch Journal de Paris d’un exilé (Pariser Tagebuch eines Geflohenen) schildert Paul-Adolphe Löffler die alltäglichen Entbehrungen und Sorgen, die immer wiederkehrenden hoffnungslosen Phasen der Arbeitslosigkeit, wachsende Xenophobie und Antisemitismus und die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung der vielen Tausend ausländischen Arbeiter*innen in Frankreich. Ebenso präsent ist auch seine Mitgliedschaft in diversen Organisationen und Schriftstellerzirkeln. 1934 wurde er Mitglied der französischen Kommunistischen Partei und war in verschiedenen Ämtern für die ungarisch-diasporische Bewegung „Mouvement du 1er septembre“ (später „Mouvement pour la Paix et la Liberté“) tätig. Zwischen 1930 und 1935 ist sein Leben von langen Phasen der Arbeitslosigkeit und damit verbundener Misere und Depressionen geprägt. 1935 findet er längerfristig eine Arbeit als Zeichner in Paris, die er bis zu seiner Rente ausführt.
1973 publizierte Löffler sein Tagebuch, das vermutlich auf ungarischen und französischen Fragmenten aus der Zeit zwischen 1924 und 1939 sowie später hinzugefügten Erinnerungen basiert und vor der Veröffentlichung bearbeitet wurde. Das Tagebuch endet mit dem Jahr 1939, in dem Löffler sich der Résistance gegen die deutsche Besatzung Frankreichs anschließt und dort u.a. die Untergrundpresse verteilt und geheime Treffen in der Region Seine-et-Marne organisiert. Paris als „Stadt des Lichts“ und der Aufklärung erscheint in Löfflers Tagebuch als schillernder Sehnsuchtsort, der ihn allerdings regelmäßig enttäuscht.
Löffler, Paul-Adolphe, 1974: Journal de Paris d’un exilé (1924-1939), p. 3ff.