Max Diamant über seine Flucht

In einem Audiobeitrag aus dem Jahr 1983 erzählt Max Diamant, wie er unbemerkt mit dem Schiff über den Rhein nach Frankreich gelangen konnte.

Max Diamant 1936 in Barcelona © Privatarchiv Doris Diamant

Ich bin dann aus Ludwigshafen, bewaffnet mit einer Zahnbürste und einem Handtuch, in diesen Prachtkahn gestiegen. Den Leuten wurde erzählt, ich habe vor, ein Soldatengrab eines Verwandten im Elsass zu besuchen. Es gab auf diesem Kahn aber einen erfahrenen, zuverlässigen Bekannten eines Freundes von mir, der das vermittelte. Und der wusste Bescheid, dass ich auf keinen Fall auffallen darf und dass ich im Fall einer Schiffsvisite durch die Schutzpolizei in einem sicheren Versteck verschwinden müsste. Das ist zwei Mal passiert und ich habe dann die Eingeweide eines solchen Kahns kennengelernt. Hinter eingerollten Schiffsketten an einer bestimmten Stelle, hinter ihnen verborgen, habe ich zwei Mal diese Schiffsvisiten der Schutzpolizei etwas leicht verschmiert überstanden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Max Diamant 1936 in Barcelona © Privatarchiv Doris Diamant

Max Diamant (1903-1992) war ein Gewerkschafter, Journalist und Fluchthelfer.

Diamant wird im polnischen Łódź in eine jüdische Familie geboren und wächst dreisprachig mit Jiddisch, Russisch und Deutsch auf. Seine Eltern sind Mitglieder des Bund, der jüdischen sozialistischen Arbeiterpartei. Im Jahr 1919 geht Max zur Schule nach Mannheim, wo er bei Verwandten lebt. Fünf Jahre später migriert er mit seiner Familie in die Sowjetunion, kehrt jedoch 1927 nach Mannheim zurück, wo er seine Frau Anni Nord kennenlernt und für die sozialdemokratische Zeitung „Volksstimme“ schreibt. Seine journalistische Arbeit widmet er dem Kampf gegen die aufsteigenden Nationalsozialisten: Er verfasst zahlreiche Artikel über das Erstarken der nationalsozialistischen Strukturen, unter anderem unter Studierenden an der Heidelberger Universität, wo er studiert.

Diamant ist Mitbegründer der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). Als politisch aktiver Sozialdemokrat und Journalist ist Max Diamant bereits kurz nach der nationalsozialistischen Machtübernahme der Verfolgung ausgesetzt. Er flieht 1933 mit Anni Nord und seinem 11-jährigen Bruder Arnold nach Straßburg, 1934 weiter nach Paris. In Paris angekommen, arbeitet Max Diamant fortan in der dortigen Auslandszentrale der SAP und ist Redakteur der antifaschistischen Zeitung „Neue Front“ sowie Herausgeber der sozialistischen Zeitschrift „Marxistische Tribüne“. In Frankreich erhalten Diamant und Anni Nord den Status von Asylberechtigten und leben später mit ihren Freund*innen Paul Frölich und Rosi Wolfstein in einem Haus in Vanves. Als 1936 der Spanische Bürgerkrieg ausbricht, reist Diamant als Parteivertreter der SAP nach Spanien, um die dortige Marxistische Arbeiterpartei zu unterstützen.

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 werden jedoch auch Diamant und Nord von Frankreich zu „feindlichen Ausländern“ erklärt und zeitweise in Lagern interniert. Ihnen gelingt die Flucht nach Montauban in die Bretagne und von dort nach Marseille. In Marseille schließt sich das Ehepaar dem Fluchthilfenetzwerk Centre Américain de Secours (CAS) um den US-Amerikaner Varian Fry an. Im September 1941 spitzt sich die Bedrohung zu und Diamant flieht weiter nach Lissabon, wo er sich weiter in der Fluchthilfe engagiert. Von dort gelangt er 1942 nach Mexiko. Erst im Jahr 1962 kehrt er mit seiner Familie nach Deutschland zurück. In Frankfurt baut er in der Gewerkschaft IG Metall mit dem Ziel der internationalen Vernetzung von Arbeiter*innen die Abteilung „Ausländische Arbeitnehmer“ auf. Max Diamant stirbt 1992 in Frankfurt.

Max Diamant über seine Flucht, Privatarchiv Doris Diamant. Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Doris Diamant.