Anna Seghers an Prinz Löwenstein, März 1939

In diesem Brief aus Paris beschwert sich Anna Seghers bei Prinz Löwenstein über sein Schweigen, obwohl er ihr seine Unterstützung für ihr Buch versprochen hatte.

Paris, 4. März 1939

Lieber Prinz Löwenstein,

Ich habe von Ihnen und von der Akademie Monate lang nichts mehr gehört. Das verwundert mich um so mehr als Sie mir damals bald “schricht geben wollten und eine günstige Regelung in Aussicht stellten.

Ich schrieb Ihnen bereits, dass ich unter schwierigen Bedingungen arbeite. Diese Bedingungen haben sich inzwischen aus Gründen, die mit den äusseren Verhältnissen zusammenhängen, noch ganz wesentlich verschlechtert.

Da ich weiss, dass sich die Akademie zur Hauptaufgabe gestellt hat, den Schriftstellern bei Ihrer Arbeit zu helfen, und dass Sie selbst wie Sie mir versicherten, sich für mich einsetzen wollen, bitte ich sie nochmals alles Nötige zu unternehmen, damit ich die Mittel zur Durchführung meiner jetzigen Arbeit bald bekommen kann.

Es grüsst Sie herzlich

Ihre

Anna Seghers

Für Briefe

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Paris 2

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Anna Seghers (1900-1983), geboren als Netty Reiling in Mainz, war eine deutsche Schriftstellerin mit jüdischer Herkunft. Sie studierte Kunstgeschichte, Sinologie, Geschichte und Philologie in Heidelberg und Köln. Im Jahr 1925 heiratete sie László Radványi, einen ungarischer Geselschaftswissenschaftler. Das Ehepaar hatte kurz danach zwei Kinder, Peter geboren 1926 und Ruth geboren 1928. Zwischen den Geburten ihrer Kinder, veröffentlicht sie im Jahr 1937 die Erzählung Grubetsch, für die sie den renommierten Kleist-Preis bekommt.

Aufgrund Verfolgung der Nationalsozialisten flieht Seghers 1933 nach Frankreich, wo sie bis 1941 bleibt, daraufhin flieht sie nach Mexiko. Seghers war seit 1929 teil der Kommunistischen Partei Deutschlands, wie auch des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Dies, zusammen mit ihrer jüdischen Herkunft, machte sie zu einem Verfolgungsopfer der Nazis. Während sie in Frankreich im Exil lebte schrieb sie Der Kopflohn, Der Weg durch den Februar und Die Rettung. Im Exil schrieb sie auch Das siebte Kreuz, welches sie 1942 veröffentlichte, und sie weltweit bekannt macht. Nach dem Krieg veröffentlichte sie Der Ausflug der toten Mädchen, in der sie die Ermordung ihrer Mutter im KZ Piaski verarbeitet.

In den Briefen an Hubertus Prinz zu Löwenstein, der Gründer die American Guild for German Cultural Freedom, setzt sich Anna Seghers für sich und andere ein, Hilfe für ihre künstlerische Arbeit zu bekommen. Die American Guild for German Cultural Freedom war eine Organisation, die deutschen Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen im Exil half, deren Arbeitsmöglichkeiten durch die faschistische Regierung in Deutschland beeinträchtigt oder unmöglich waren. Das Ziel der Organisation war es, die deutsche Kultur außerhalb Deutschlands am Leben zu erhalten. Die American Guild for German Cultural Freedom half diesen Menschen durch finanzielle Unterstützung. Die Flucht- und Ankommenserfahrung der deutschen Exilierten war für jeden Einzelnen unterschiedlich. Eine der Hauptschwierigkeiten auf der Flucht ist die Anpassung an einen völlig neuen Ort und das Finden eines Unterstützungssystems. Die American Guild for German Cultural Freedom versuchte, den deutschen Exilierten bei dieser Anpassung zu helfen, damit sie sich gleichzeitig auch auf ihre Arbeit konzentrieren konnten.

Brief von Anna Seghers an Prinz Löwenstein, März 1939 © Deutsches Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek, Deutschland.