Hilda Epstein’s Dankbarkeit an die USA

Hilda Epstein war eine deutsche Krankenschwester, die in Karlsruhe in einer religiösen jüdischen Familie geboren wurde. Sie lernte Säuglingspflege in Heidelberg, später wechselte sie nach Frankfurt, bestand dort das Krankenpflegeexamen und arbeitete im Jüdischen Krankenhaus in Frankfurt. Im Jahre 1937 befand sie sich in Lebengefahr, konnte jedoch in Begleitung ihres Mannes mit einem Affidavit nach Washington und von da aus nach New York fliehen.

In ihrem Gespräch mit dem Autor Henri Jacob Hempel erzählt Hilda Epstein über ihre Reflexionen zu den Themen: Flucht, Heimat und Dankbarkeit.

New Yorker Stadtteil Manhattan 1931 via Wikimedia
New Yorker Stadtteil Manhattan 1931 via Wikimedia

Für mich ist New York der Ort, wo meine lebensgeschichtlich wichtigen Freunde wohnen. In dieser Stadt bin ich glücklich gewesen, deshalb bin ich zurückgekehrt. Hier fühle ich mich geborgen, es ist, als ob ich immer hier gewesen wäre. Dabei sind’s 45 Jahre, länger als mein halbes Leben. Ich denke kaum an die Zeit zurück, die ich in Deutschland verbracht habe. Das ist für mich ein fremdes Land. 1960 bin ich das erste Mal wieder nach Deutschland gereist. Wir wollten die Gräber sehen, den Friedhof in Frankfurt. Dort liegen die Grosseltern meines Mannes und frühere Freunde von mir, Patienten, mit denen ich herzlich verbunden war, auch Kolleginnen, Schwestern, die sich das Leben genommen haben. Ich wollte auch meine alte Wirkungsstätte wiedersehen. Aber die Stadt, Frankfurt, war mir fremd geworden.

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Sprache ist wie ein Gehäuse, in das man hineingeborgen wird. Und als ich in Amerika begonnen habe, mit meinem Mann Englisch zu sprechen, war das für mich ein Zeichen, dass ich das Land, das mich aufgenommen hat, innerlich akzeptiert habe. Diese Sprache wurde uns geläufig. Mein Mann hat ein gutes Englisch gesprochen, trotz seines Frankfurter Akzents, den er zeitlebens beibehielt. Als ich am 6. Juni 1944 amerikanische Staatsbürgerin wurde, habe ich voller Stolz gesagt: I’m better American, than many who are born here. Wir waren froh, Amerikaner zu sein. Das heisst, mein Mann erhielt vier Monate nach mir die amerikanische Staatsbürgerschaft. Am Abend sagte ich zu ihm im Scherz: Jetzt brauche ich mit keinem German mehr zu schlafen.

Was von Deutschland geblieben ist? Persönlich hab‘ ich’s nie anders können, als die mir gestellten Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen. Die deutsche Gründlichkeit, das liegt doch einem im Blut. Hier in Washington Heights gibt es eine deutsche Emigrantenkolonie, die nannte sich das Vierte Reich, damals als wir hierher zogen. Es mögen noch so viele verschiedene Juden aus Deutschland hier wohnen, gemeinsam ist allen der Rauswurf aus dem Dritten Reich. Und dieser Teil deutscher Geschichte bleibt mit uns verbunden.

Gemeinsam ist den Menschen hier im Vierten Reich auch die enorme Umstellungsleistung. Was immer sie geworden sind, Professoren, Rechtsanwälte, Kaufleute und Lehrer, auch Ärzte, sie haben alle neu in diesem Land beginnen müssen. Wir haben hart gearbeitet, um es wieder zu etwas zu bringen. Und wir haben gespart.

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Die Emigration war eine Notwendigkeit zum Überleben. Dieses Land hat mich aufgenommen. Ich bin dankbar dafür, und ich habe nur gute Worte für dieses Land. Es gibt nur ein Amerika, right? Ich meine, jetzt im Moment ist es nicht mehr wie es war. Aber ich habe doch sofort Arbeit gefunden. Wo hätte ich das in einem anderen Land? In der Schweiz kann man das doch noch heute als Ausländer nur begrenzt. Nein, ich bin dankbar, dass Amerika mich aufgenommen hat. Ich habe ja gesagt bei meiner Staatsbürgerprüfung: I am better American, than many who are born here.

Hilda Epstein war eine deutsche Krankenschwester, die in Karlsruhe in einer religiösen jüdischen Familie geboren wurde. Sie lernte Säuglingspflege in Heidelberg, später wechselte sie nach Frankfurt, bestand dort das Krankenpflegeexamen und arbeitete im Jüdischen Krankenhaus in Frankfurt. Im Jahre 1937 befand sie sich in Lebengefahr, konnte jedoch in Begleitung ihres Mannes mit einem Affidavit nach Washington und von da aus nach New York fliehen.

Kurz nach ihrer Flucht wurde sie zur Hauptverdienerin in der Familie, weil ihr Mann keine Arbeit finden konnte. Wegen der Armut beschloss das Ehepaar, keine Kinder zu haben. Im Jahr 1944 erhielt Hilda die amerikanische Staatsbürgerschaft. Im Jahre 1970 entschied die Familie, wegen eines Schockerlebnises ihres Mannes, der auf der Straße in New York überfallen wurde, die USA zu verlassen und emigrierte nach Schweiz. Trotz aller Schwierigkeiten blieb Hilda Epstein bis zum Ende ihres Lebens dankbar den USA, dem Staat, der sie aufgenommen hat und neues Zuhause geschenkt hat.

Henri Jacob. Hempel (Hrsg.),1983: Wenn ich schon ein Fremder sein muß… Deutsch-jüdische Emigranten in New York. Frankfurt/M.-Berlin-Wien: Ullstein Verlag, S. 115-117.