Fred Steins Blick auf das Paris der 1930er

Fred Stein (1909-1967) begann nach seiner Flucht aus dem nationalsozialistischen Deutschland nach Paris im Jahr 1933, die Fotografie zum Beruf zu machen. Mit empfindsamen Auge und aus der Perspektive eines Exilanten nimmt er das Straßenleben im Paris der 1930er Jahre auf.

Flussbiegung, Paris 1937 © Fred Stein Archive

Blumenverkäuferin Paris 1935 © Fred Stein Archive

Café, Paris, 1935 © Fred Stein Archive

Le Gaz, Paris, 1935 © Fred Stein Archive

Paris Abend, 1934 © Fred Stein Archive

Volksfront (Front Populaire) 1936 © Fred Stein Archive

Renovation, 1934 © Fred Stein Archive

Sacre Coeur Paris, 1938 © Fred Stein Archive

Instrument Marke Eigenbau, 1938 © Fred Stein Archive

Armensiedlung, Paris, 1935 © Fred Stein Archive

Junge an die Wand gelehnt, Paris, 1937 © Fred Stein Archive

Fred Stein (1909­­­-1967) wurde als Sohn eines Rabbiners in Dresden geboren und schlug dort zunächst eine juristische Karriere ein. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und dem Erlass, durch den Jüdinnen*Juden bereits im Juni 1933  ihre Anwaltszulassung verloren, wurde die Laufbahn des Rechtsreferendars jedoch abgebrochen. Das politische, antifaschistische und sozialistische Engagement Fred Steins und das Wissen, dass die Gestapo Erkundigungen über ihn einholte, zwangen ihn bereits im Oktober 1933 zur Flucht. Gemeinsam mit seiner Frau Lieselotte (geb. Salzburg, genannt Lilo), die er noch im selben Jahr geheiratet hatte, begab er sich auf eine vorgetäuschte Hochzeitsreise nach Frankreich, von der sie nicht zurückkehrten.

Wie viele andere Geflüchtete versuchte das junge Paar, sich in Paris ein Leben aufzubauen. Fred Stein machte sein Hobby, die Fotografie, zum Beruf. Mit der Leica, die sich Lilo und er gegenseitig zur Hochzeit geschenkt hatten, zog er durch Paris. Dabei entwickelte er zwei Hauptsujets: die „Soziologie der Straße“ und „die Psychologie des Porträts“. Fred Stein nahm u.a. das jüdische Viertel Marais, den Glanz und die Armut auf den Pariser Straßen, die Arbeiter*innen, Bettler*innen, Verkäufer*innen und Kinder, die er dort antraf, das Caféleben der Emigrant*innen auf. Zudem fotografierte er Kinder, die vor dem Spanischen Bürgerkrieg nach Frankreich geflohen waren. 1935 porträtierte er Teilnehmende am Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur in Paris. Auch Hannah Arendt (1906-1975), mit der ihn eine lange Freundschaft verband, porträtierte er über 30 Jahre hinweg.

Fred und Lilo Steins Wohnung in Montmartre wurde zum Treffpunkt für viele Geflüchtete und gleichzeitig zum „Studio Stein“ mit dem Badezimmer als Dunkelkammer. Lilo arbeitete im Labor, retuschierte und fotografierte selbst. Steins Fotografien wurden unter anderem in der für das Pariser Exilleben zentralen Buchhandlung und Galerie de la Pléiade gezeigt. Außerdem veröffentlichte er sie in illustrierten, insbesondere linken Magazinen wie dem „Regards“, in denen Sozialreportagen zu einem wesentlichen Element geworden waren.

Nicht nur durch seine sozialdokumentatorische fotografische Tätigkeit blieb Stein auch in Paris politisch aktiv: Er engagierte sich in der Antifaschistischen Journalistenvereinigung und schrieb unter dem Pseudonym Fritz Berg Artikel für die sozialistische Arbeiterpartei. Ab September 1939 kam Fred Stein wegen seiner deutschen Herkunft in verschiedene Internierungslager. Im Lager Villerbon verwaltete er eine kleine Lagerbibliothek und organisierte mit anderen Inhaftierten gegenseitige Unterrichtskurse, die sie scherzhaft als „la Sorbonne“ betitelten. In den Unruhen nach dem deutschen Einmarsch in Frankreich entkam Fred Stein dem Internierungslager, und fand Lilo und die gemeinsame, 1938 geborene Tochter Marion in Toulouse wieder. 1941 gelang der Familie Stein mithilfe des von Varian Fry geleiteten Emergency Rescue Committee die Weiterflucht nach New York, wo sie sich dauerhaft niederließen und Fred Stein seine fotografische Tätigkeit fortsetzte. 11Vgl. Stein, Fred / Freer, Dawn (ed.), 2013: Fred Stein. Paris, New York, Berlin: Kehrer.

Diese Auswahl von Fotografien vermittelt einen Eindruck davon, wie Fred Stein Paris wahrnahm: Die Schönheit der Stadt ist ebenso eingefangen wie die Armut der Bewohner*innen auf ihren Straßen, politische Umbrüche wie die Regierungszeit der Front Populaire 1936, und das Caféleben der intellektuellen Emigrant*innen.

    Fußnoten

  • 1Vgl. Stein, Fred / Freer, Dawn (ed.), 2013: Fred Stein. Paris, New York, Berlin: Kehrer.

Alle Fotografien wurden dem We Refugees Archive mit freundlicher Genehmigung von Peter Stein zur Verfügung gestellt.

© Fred Stein Archive