Hilda Epstein’s Leben in New York

Hilda Epstein war eine deutsche Krankenschwester, die in Karlsruhe in einer religiösen jüdischen Familie geboren wurde. Sie lernte Säuglingspflege in Heidelberg, später wechselte sie nach Frankfurt, bestand dort das Krankenpflegeexamen und arbeitete im Jüdischen Krankenhaus in Frankfurt. Im Jahre 1937 befand sie sich in Lebengefahr, konnte jedoch in Begleitung ihres Mannes mit einem Affidavit nach Washington und von da aus nach New York fliehen.

In ihrem Gespräch mit dem Autor des Buchs Henri Jacob Hempel „Wenn ich schon ein Fremder sein muss…“ erzählt Hilda Epstein über die Erfahrungen ihrer Familie in New York als deutsch-jüdische Geflüchtete.

Mann in Karren, 1944,
fotografiert von Fred Stein, mit
freundlicher Genehmigung von
Peter Stein © Fred Stein Archiv

Wir kamen am 17. September 1937 in New York an, es war ein glühendheisser Tag, und dennoch liefen die Frauen mit Pelzen den Kai entlang. Das war die erste Überraschung. Dann haben wir eine kurze Zeit am Broadway 151. Querstrasse gewohnt. Doch meine Tante entpuppte sich als stockamerikanisch, sie wollte von den Problemen deutscher refugees nichts wissen. Sie meinte, wir wären sehr reich. Nun, das war einmal. Sie dachte, wir hätten all unser Geld mitgebracht. Dem war aber nicht so. Die Wirklichkeit sah umgekehrt aus. Sie meinte, wir brauchten nicht zu arbeiten. Im Gegenteil, bald hatten wir kein Geld mehr. Wir wollten uns von ihr auch nichts schenken lassen. Wir waren doch so stolz, wir waren doch so deutsch. Ich habe dann zu meinem Mann gesagt: Komm, lass uns gehen. Dies ist kein Platz für uns. Wir sind dann in die Bronx gezogen. Ich habe als Schwester im Montefiore Hospital gearbeitet. Ich wurde zur Hauptverdienerin und musste mein Staatsexamen wiederholen, die Anforderungen sind hierzulande höher.

Das Hauptproblem war: Mein Mann fühlte sich in seiner männlichen Würde unterbunden. Er fand nur Aushilfsarbeiten. Ich sagte ihm: Hör mal, in Amerika arbeiten die Frauen. Schlag dir die Idee aus dem Kopf, dass du mich ernähren mussst, das kommt nicht in Frage. Drüben wäre ich zwar eine Hunderttausend-Mark-Heirat wert gewesen, aber hier stehe ich meinen Mann. Nun, er hat gelacht, und schliesslich hat auch er Arbeiten gefunden, die mehr seinen Fähigkeiten entsprachen.

Hilda Epstein war eine deutsche Krankenschwester, die in Karlsruhe in einer religiösen jüdischen Familie geboren wurde. Sie lernte Säuglingspflege in Heidelberg, später wechselte sie nach Frankfurt und bestand da das Krankenpflegeexamen. Sie strebte danach, die Soziale Frauenschule zu besuchen, um Fürsorgeschwester zu werden. Durch die Hitler-Ereignisse überschlug sich vieles und sie blieb beim Jüdischen Krankenhaus in Frankfurt verbunden. Später mit dem Tode in NS-Deutschland bedroht, erhielt sie mit der Hilfe ihrer Tante aus den USA das Affidavit und flüchtete mit ihrem Mann zuerst nach Washington und später im Jahr 1937 nach New York. Kurz nach ihrer Flucht wurde sie zur Hauptverdienerin in der Familie, weil ihr Mann keine Arbeit finden konnte. Wegen der Armut beschloss das Ehepaar, keine Kinder zu haben. Im Jahr 1944 erhielt Hilda die amerikanische Staatsbürgerschaft. Im Jahre 1970 entschied die Familie, wegen eines Schockerlebnises ihres Mannes, der auf der Straße in New York geräubert wurde, die USA zu verlassen und emigrierte nach Schweiz. Trotz aller Schwierigkeiten blieb Hilda Epstein bis zum Ende ihres Lebens dankbar den USA, dem Staat, der sie aufgenommen hat und neues Zuhause geschenkt hat.

Henri Jacob. Hempel (Hrsg.),1983: Wenn ich schon ein Fremder sein muß… Deutsch-jüdische Emigranten in New York. Frankfurt/M.-Berlin-Wien: Ullstein Verlag, S. 112-113.