Fred Grubel: Ankunft in New York

Fred (Fritz) Grubel (in Deutschland ehemals Grübel) arbeitete in der Verwaltung der Jüdischen Gemeinde in Leipzig. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte die Organisation der Auswanderung deutscher Juden. Er überlebte eine zweimonatige Haft im KZ Buchenwald und flüchtete im Jahr 1939 mit seiner Familie zuerst nach England und im Jahr 1940 in die Vereinigten Staaten. Seit 1966 war er als Leiter von Leo-Baeck- Institut in New York tätig.

Fred Grubel erzählt in seinem Gespräch mit dem Autor des Buches „Die verheissene Stadt“ Thomas Hartwig über seine Ankunft in New York.

Manhattan von der Brooklyn Bridge, 1948,
fotografiert von Fred Stein, mit
freundlicher Genehmigung von
Peter Stein © Fred Stein Archiv

Als Sie ankamen in New York, was war das für Sie?

Dass es nicht Deutschland war, das war die Hauptsache. Ich war schon mal vorher in New York gewesen. Und meine Frau hat hier zwei Brüder gehabt. Und drittens, wenn Sie damals als Jude auf dem Mond gelandet wären, hätten Sie das Gefühl gehabt: es ist wunderbar. Man war froh, dass man keine Angst mehr zu haben brauchte, wenn es klingelte. Es war sehr schlimm zu wissen, dass die Eltern in Europa sind. Wo sie verschwunden sind. Meine Eltern sind in Jugoslawien gewesen. Mein Vater ist noch Ende 1940 gestorben, meine Mutter ist von den Nazis  ermordet worden. Meine Schwiegereltern konnten sich nach Kuba retten. Wir hatten es hier nicht leicht, aber wir hatten es ja auch nicht sehr schwer. Ich hab halbwegs vernünftige Jobs gehabt, konnte nebenbei studieren, und ich habe meine drei Kinder aufgezogen. Ein Kind geboren in Deutschland, eins in England und eins in Amerika.

Also, das deutsche Bildungsbürgertum, das in Form von jüdischen Refugees hergekommen ist, war eine sehr eigenartige Gruppe. War eine Gruppe mit einem intellektuellen und zivilisatorischen Armamentorium. Unsere Emigration war eine Emigration von vollkommen akkulturierten und assimilierten westlichen Intellektuellen und Kaufleuten, also im westlichen aus der Mittel-und Oberschicht des Bürgertums. Wir mussten uns nicht akkulturieren an die amerikanische Gesellschaft. Wir gehörten zu derselben Gesellschaft. Bei uns war das grösste Hindernis die Sprache, das war alles. Das, was wir gelernt hatten, wie wir erzogen waren, wie wir gelebt haben, war dasselbe westliche europäisch-amerikanische Zivilisationsbild.

Fred (Fritz) Grübel (in Deutschland ehemals Grübel) wurde 1908  in Leipzig geboren. Seine Familie erhielt die deutsche Staatsbürgerschaft im Jahr 1928. Er studierte in Leipzig, Frankfurt und promovierte in Rechtswissenschaften. Bis zum Frühjahr 1933 war er als Referendar an einem Gericht in Leipzig tätig, wurde aber zum zweiten Staatsexamen nicht mehr zugelassen. Er arbeitete in der Verwaltung der Jüdischen Gemeinde in Leipzig. Zu seinem Aufgabengebiet gehörte die Organisation der Auswanderung deutscher Juden. Er überlebte eine zweimonatige Haft im KZ Buchenwald und flüchtete im Jahr 1939 mit seiner Familie zuerst nach England und im Jahr 1940 in die Vereinigten Staaten. In den folgenden Jahren arbeitete er für verschiedene jüdische Organisationen. Seit 1966 war er als Leiter von Leo-Baeck- Institut in New York tätig.

Das Leo Baeck Institut ist eine Forschungsbibliothek und ein Archiv mit Schwerpunkt auf der Geschichte der deutschsprachigen Juden. Das Institut wurde 1955 von führenden deutsch-jüdischen emigrierten Intellektuellen wie Martin Buber, Max Grunewald, Hannah Arendt und Robert Weltsch gegründet, die entschlossen waren, das lebendige kulturelle Erbe des deutschsprachigen Judentums zu bewahren, das im Holocaust fast zerstört worden war. Sie benannten das Institut nach Rabbi Leo Baeck, dem letzten Leiter der Jüdischen Gemeinde Deutschlands unter dem Naziregime, und ernannten ihn zum ersten Präsidenten des Instituts.

Thomas Hartwig, Achim Roscher, 1986: Die verheissene Stadt: Deutsch-jüdische Emigranten in New York. Gespräche, Eindrücke und Bilder. Berlin: Das Arsenal. S.116,118.