ס’איז טאַקע גוט, װאָס אַלע טוליען זיך דאָ צו זיך. זײַן צוזאַמען מיט אַן אָרטיקן, אַ הײמישן אָדער סאָציאַל־נאָענטן איז בעסער װי זײַן אויסגעמישט, צװישן אַ סטאַדע אָנגעלאָפֿענע מענטשן אָן אַ פּנים, אָן געמײנזאַמע כאַראַקטער־שטריכן, אָן ענלעכע פֿאַראינטערעסירונגען. 22Herman, K. [Pseudonym Herman Kruk], 1940: Pleytim (Reportazh), S. 10–13, in: Folks-gezunt Nr. 1–2, S. 12.
Fußnoten
1Herman, K. [Pseudonym Herman Kruk], 1940: Pleytim (Reportazh), S. 10–13, in: Folks-gezunt Nr. 1–2, S. 11.
2Herman, K. [Pseudonym Herman Kruk], 1940: Pleytim (Reportazh), S. 10–13, in: Folks-gezunt Nr. 1–2, S. 12.
„‚Wir haben eine voll ausgestattete Krankenpflegeschule – lasst die entwurzelten jiddischen Schriftsteller herkommen und das Gebäude bewohnen, lasst sie sich hier Zuhause fühlen, lasst sie die hellen Räume unserer Krankenpflegeschule wenigstens ein bisschen ihr verlassenes Zuhause ersetzen, ihre Arbeitszimmer, ihre familiäre Atmosphäre.‘
Als der Vertreter von TOZ, Herr Hirsh Matz, diesen Plan der Verwaltung der wandernden Schriftstellerfamilie vorstellte, akzeptierten alle diese Initiative mit dem Gefühl, das sie verdiente – mit Anerkennung. Und so kam es: Der Joint auf der einen Seite und TOZ auf der anderen und über Nacht gab es in der Sadowa Straße 9 ein Asyl für die angesehensten jiddischen Schriftsteller und Journalisten, die nach Vilnius gekommen sind.“ 11Herman, K. [Pseudonym Herman Kruk], 1940: Pleytim (Reportazh), S. 10–13, in: Folks-gezunt Nr. 1–2, S. 11.
„Die Schriftsteller der Sadowa 9 haben Tłomackie 13 22Warschauer Adresse des Fareyn fun Yidishe Literatn un Zhurnalistn in Varshe (Verein jiddischer Schrifsteller und Journalisten in Warschau, 1916–1939), das als Symbol säkular-jüdischer/jiddischer Kultur Polens fungierte, WRA hier wiederhergestellt. Die ideologischen Debatten haben nicht aufgehört, aber sie essen zusammen und verbringen Zeit zusammen am selben Tisch: der Zionist Y.M. Nayman mit dem Bundisten B. Shefner, der Folkist Noyekh Prilutski mit dem Sozialisten Kh. Sh. Kazdan, der Orthodoxe D. Flinker mit dem Säkularen Lazar Kahan, der religiöse Zionist B. Jeuschsohn mit dem fanatischen Bundisten P. Shvarts. Alles ist hier gleichberechtigt: der Herausgeber des Togblat mit dem Herausgeber der Haynt zusammen mit den Kollegen von der Folkstsaytung – die gesamt jiddische Presse aus Warschau, Mitarbeiter der bedeutendsten jiddischen Zeitungen der Welt – alles kommt hier zusammen. Wer privat untergekommen ist, bekommt das Essen nach Hause gebracht. Dasselbe gibt es auf der Kvyatova 7 und auf der Pohulanke 17.
So wie das Literatenheim einen Gemeinschaftscharakter trägt, haben einige Geflüchtetenheime einen regionalen und oft sozial-ideologischen Charakter. Neben den Heimen für Jeschiwa-Studenten gibt es Heime für Arbeiter, zionistische Pioniere etc. Auf Amerikanisch würde man es Branche nennen: eine Lubliner Branch, eine tschechoslowakische Branch, eine bundistische Branch und so weiter.
Es ist wirklich gut, dass alle zusammenhalten. Zusammen zu sein mit einem Einheimischen, mit jemandem aus der Heimat oder einem politisch Gleichgesinnten ist besser als durcheinandergewürfelt zu sein, unter einer Schar von Neuankömmlingen ohne ein Gesicht, ohne Gemeinsamkeiten, ohne ähnliche Interessen.“ 22Herman, K. [Pseudonym Herman Kruk], 1940: Pleytim (Reportazh), S. 10–13, in: Folks-gezunt Nr. 1–2, S. 12.
Fußnoten
1Herman, K. [Pseudonym Herman Kruk], 1940: Pleytim (Reportazh), S. 10–13, in: Folks-gezunt Nr. 1–2, S. 11.
2Herman, K. [Pseudonym Herman Kruk], 1940: Pleytim (Reportazh), S. 10–13, in: Folks-gezunt Nr. 1–2, S. 12.
Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 führte zur sowjetischen Dominanz über die baltische Region. Litauen konnte seine Neutralität im Gegenzug für eine sowjetische militärische Präsenz auf seinem Territorium aushandeln, bekam zusätzlich Vilnius zugesprochen und wurde so zu einem der Hauptzufluchtsorten, der jüdische und nichtjüdische Geflüchtete aus Polen und anderen Ländern aufnahm.
Das American Jewish Joint Distribution Committee zusammen mit der lokalen jüdischen Hilfsorganisation OZE-TOZ unterstützten jüdische Geflüchtete darin, eine Unterkunft in Vilnius zu finden. Sie lösten das Problem der überwältigenden Knappheit an Unterkünften, indem sie schon bestehende beruflich oder parteilich verbundene Gruppen in Gemeinschaftsunterkünften unterbrachten. Auf diesen Fotographien sind geflüchtete jüdische Journalist*innen und Schrifsteller*innen aus Polen beim Abendessen in ihrer Unterkunft zu sehen. Ihnen wurde das Gebäude einer Krankenpflegeschule der TOZ in der Sadowa Straße 9 zur Verfügung gestellt. Laut Aussagen von Herman Kruk erleichterte die Unterbringung in Gemeinschaftunterkünften das Ankommen und den Neuanfang für viele jüdische Geflüchtete in Vilnius, da es so einem Identitätsbruch und dem Gefühl von Einsamkeit entgegenwirkte. Gleichzeitig verursachte die Methode der Gemeinschaftsunterkünfte zweifellos eine Spaltung der jüdischen Geflüchtetengesellschaft entlang ideologischer und klassischer Unterschiede.
Laut Kruk erzeugte die Ballung der jüdischen Elite und Intelligenz Polens in Vilnius an sich und das Zusammenwohnen der Journalisten und Schriftsteller in den Räumlichkeiten der Sadowa 9 ein Gefühl von Heimat, Gemeinschaft, Solidarität und Stärke und begünstigten kooperative Aktivitäten und Widerstand. So wurde die Sadowa 9 zur ideele Geburtsstätte der Geflüchteteninitiative mit dem Namen Komitet tsu zamlen materialn vegn yidishn khurbn in Poyln 1939 (Komitee zum Sammeln von Material über die Zerstörung jüdischer Gemeinden in Polen 1939), dem frühesten kollektiv-jüdischen Versuch in Osteuropa, nationalsozialistische Verbrechen im besetzten Polen aufzuzeichnen.