The Arrival of Hannah Arendt
Dieser Film beschreibt das Ankommen von Hannah Arendt - einer jüdischen, deutsch-amerikanischen politischen Theoretikerin und Publizistin - in New York und ihre Reflektionen über Flucht und Unterstützung beim Neuanfang.
Ich bin mit dem Konzertpianisten Josef Wagner verheiratet, dessen Karriere sich in aufsteigender Linie befindet. Jedoch – wir sind erst 1 ½ Jahre hier, und seine Einnahmen sind natürlich schwankend. Meine Kraft ist durch den Musikerhaushalt, durch das 5 jährige Kind, durch die Unruhe und Unsicherheit des täglichen Lebens so sehr in Anspruch genommen, dass ich abends erschöpft bin. Es geschieht unter diesen Umständen selten, dass ich abends schreiben kann. Die Gedichteinfälle und Anfangsverse sind da, (sie entstehen bei mir fast immer zwangsläufig) jedoch, um ein Gedicht zu feilen und zu formen, um es zu einem guten Ende, in die endgültige Fassung zu bringen, dazu brauche ich sehr viel Zeit, sehr viel Konzentration… ich kann das einfach nicht schaffen, wenn ich müde bin. Das tägliche Einkaufen; das tägliche Rechnen, Berechnen und Sparen; der starke Stimmungswechsel, dem fast Alle in diesem Lande ausgesetzt sind; Hoffnungen und Fehlschläge; übermäßige, weil ungewohnte körperliche Anstrengung, um das Haus in Ordnung zu halten.
Dazu diese ungeheuerliche, irritierende und faszinierende Stadt mit ihrer besonderen Atmosphäre; das Wetter. Diese Stürme…! Das alles will verarbeitet werden. Man brauchte Zeit man hat sie nicht; man möchte wach sein des Abends – man ist müde. Mit einem bisschen Geld wäre viel getan, – man hätte eine Atempause.
Ein Kritiker der “Berliner Börsenzeitung” schrieb 1933:
……..”oder in dem direkten Anspringen der satyrischen Zeitgedichte von Lassie Sachs: es weht ein Hauch vom Ewigen in allen diesen Versen! Die junge Breslauerin Lessie Sachs vermeidet es nämlich, ihre Lyrik politisch oder sozialpolitisch zu verbrämen, weil die Gedichte aber trotz des “Mangels” scharf geschliffen sind, kommt ihnen etwas zu, was sie in ihrer ethischen Bedeutung in die Nähe klassischer ‘Sinngedichte’ stellt.”
Darauf bin ich stolz. Weil der Mann meine künstlerische Ansicht erkannt hat. Aber bis ich wirklich dahin komme, ist es noch weit…
Lessie Sachs-Wagner (1872-1942) geboren in Breslau war eine deutsche Künstlerin, Dichterin und Autorin jüdischen Ursprungs. Sie studierte an der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe und danach an der Mal- und Zeichenschule für Frauen in München. Während sie in München studierte trat sie in 1919 der Kommunistischen Partei Deutschlands KDP bei. Sie wurde im Jahr 1920 für sechs Monate im Strafgefängnis Breslau XII inhaftiert. In dieser Zeit schrieb sie weiterhin Gedichte.
Im Jahr 1933 heiratete sie den Pianist Josef Wagner. Ein Jahr später wurde ihre Tochter Dorothee geboren. Die Familie entschied im Jahr 1937 Deutschland verlassen. Sie flüchteten in die Vereinigten Staaten, wo sie in New York lebten. Sie starb 1942 an Krebs. Nach ihrem Tod veröffentlichte Josef Wagner den Band „Tag- und Nachtgedichten“ aus ihren Gedichten mit einem Vorwort von Heinrich Mann.
Die American Guild for German Cultural Freedom war eine Organisation, die deutschen Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen im Exil half, deren Arbeitsmöglichkeiten durch die faschistische Regierung in Deutschland beeinträchtigt waren. Das Ziel der Organisation war es, die deutsche Kultur außerhalb Deutschlands am Leben zu erhalten, da sie innerhalb der deutschen Grenzen nicht überleben und gedeihen konnte. Die American Guild for German Cultural Freedom half diesen Menschen durch finanzielle Unterstützung. Die Flüchtlingserfahrung der deutschen Exilierten war für jeden Einzelnen unterschiedlich. Eine der Hauptschwierigkeiten auf der Flucht ist die Anpassung an einen völlig neuen Ort und das Finden eines Unterstützungssystems. Die American Guild for German Cultural Freedom versuchte, den deutschen Exilierten bei dieser Anpassung zu helfen, damit sie sich gleichzeitig auch auf ihre Arbeit konzentrieren konnten.
Brief von Lessie Sachs Wagner an die American Guild for German Cultural Freedom, April 1939 © Deutsches Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek.