Im Film setzt sich Mustapha mit dem Umstand auseinander, dass viele junge Migrant*innen aufgrund fehlender Perspektiven, wenn möglich, entweder in ihr Heimatland zurückkehren oder an einen anderen Ort ziehen. Auch Mustapha selbst stellt sich die Frage, ob er in Palermo bleiben oder woanders hingehen soll.
Mustapha F. kam als Minderjähriger aus Gambia nach Sizilien. Er musste einige Monate in verschiedenen Aufnahmelagern verbringen, bis er nach Palermo kam.Auch über diese Zeit sprach er in einem Interview mit We Refugees. Er geht seitdem zur Schule, lernt Italienisch und arbeitet wie viele andere noch nebenher (häufig mehrere Jobs und meistens ohne Arbeitsvertrag). Das Weggehen nach Nordeuropa erscheint für viele sehr attraktiv und lässt – aus der Sicht von Mustapha – vergessen, was man in Palermo alles hat. Der Wunsch, nach Nordeuropa zu gehen, ist in Palermo unten jungen Menschen sehr verbreitet. Mustapha sah schon viele weggehen, die den Traum von einem besseren Leben hatten. Einige sind zurückgekehrt, um ihre Papiere zu erneuern, finden jedoch ihren Anschluss in der Stadt nicht wieder.
Wie entstanden die Selbstzeugnisse, Filme und Filmfragmente in Palermo?
Diawara B. und Diallo S. von Giocherenda gestalteten mit den Teilnehmenden Glory M., Fatima D., Ismail A., Kadijatu J., Marrie S. und Mustapha F. einen dreitägigen Workshop, indem es um ihre eigenen Erfahrungen in Palermo ging. Mit verschiedenen Ansätzen und Spielen konnten in der Gruppe persönliche Erfahrungen ausgetauscht und vor der Kamera des We Refugees Archiv Filmteams in der Black Box erzählt werden. Fatima D., Ismail A. und Mustapha F. erklärten sich bereit, außerhalb des Workshops von Giocherenda mit dem We Refugees Archiv Filmteam Kurzfilme über ihr Leben und ihre Themen in der Stadt zu drehen.
Giocherenda ist eine professionelle Organisation von und mit jungen Geflüchteten in Palermo, die Spiele zum Storytelling anbietet. Es geht im Ansatz nicht darum, Geflüchteten zu helfen und sie zu unterstützen, sondern ausdrücklich um den umgekehrten Ansatz: Geflüchtete helfen Europäer*innen im gemeinsamen Zusammensein und Erfahrungsaustausch.
Giocherenda kommt aus der afrikanischen Sprache Pular und bedeutet Solidarität, aber auch Interdependenz and Stärke, die aus der Zusammenkunft der Menschen entsteht. Es ähnelt dem italienischen Wort „Giocare“ (Spielen), das das Kollektiv dazu inspirierte, Spiele zu entwickeln, die Erzählungen erzeugen und persönliche Erinnerungen teilen können.
Perspektive der Geflüchteten
Es wurde bewusst auf ein Drehbuch oder standardisierte Fragen in den filmischen Interviews verzichtet. Es ging allein um die Perspektive der Geflüchteten und die Themen, über die sie sprechen wollten. Einzige Vorgabe des Workshops war ein grober inhaltlicher Rahmen zu ihren Lebenserfahrungen in Palermo und ihren Visionen in naher Zukunft. Entsprechend konnten die Teilnehmenden frei entscheiden, was sie thematisieren und über welche Eindrücke, Probleme und Perspektiven sie sprechen wollten. Dass einige von ihnen dennoch über ihre Fluchterfahrungen nach Europa sprachen, beruhte also nicht auf einer Workshopvorgabe, sondern allein auf ihrer eigenen Entscheidung.
Regie: Francesca Bertin
Kamera: Max Sänger
Produktion: Francesca Bertin