Diawara B. erzählt von seinen ersten erschreckenden Erfahrungen nach der Ankunft in Sizilien in einem Aufnahmelager und der erlebten Unterstützung in Palermo auf seinem Weg in die Schule.
„Quando sono arrivato qua, mi aspettavo tanto: È l’Europa, è il mondo in cui il diritto dell’uomo è riconosciuto. Pensavo che avrei avuto pace, avrei sviluppato le mie idee e avrei avuto il diritto di studio. Però purtroppo sono rimasto deluso, perché quando sono arrivato all’inizio ci hanno messo in una forma di gabbia, accerchiato con i militari. Un ragazzo minorenne tu lo fermi un una gabbia, una prigione e non ha nemmeno il diritto di respirare l’aria pura!
Io ho fatto 20 giorni dentro. Non potevamo uscire neanche fuori. Alla fine ho dovuto incitare gli altri ragazzi a ribellarci, perché noi non siamo venuti per stare dentro qua, ma perché questo è un posto dove il nostro diritto deve essere riconosciuto, che è stato negato nel nostro paese.
Poi dopo questa rivolta siamo stati trasferiti in altri centri, io sono stato trasferito a Sicili, nel mediterraneo hub. Li hanno visto che io avevo una voglia incessante di studiare e mi hanno detto „ti cerchiamo un posto migliore dove potrai mettere i tuoi talenti in gioco, dove potrai studiare e fare grandi cose.“
Poi mi hanno spedito a Palermo, mi ricordo ancora, era il 4.12.2016, mi hanno spedito all’istituto valdese, alla casa dei Mirti, e ho cominciato subito ad andare a scuola. Sono arrivato il venerdì pomeriggio e lunedì ho cominciato a studiare.
Quando ho iniziato lo studio ero molto felice, era questo che volevo. Ho cominciato a vedere le cose da una prospettiva diversa. Il mio challenge era imparare la lingua in modo veloce per poter parlare con la gente. La comunità dov’ero, mi ha dato gli strumenti per mettermi in gioco, si sono fidati di me! Ho fatto la terza media, i miei studi del mio paese non sono riconosciuti. Poi il liceo scientifico, e questo grazie al centro e anche alla città. Tante persone mi hanno sostenuto. „Sei un ragazzo intelligente che vuol fare tante cose positive, noi ti aiutiamo!“. Studiavo in due scuole contemporaneamente. Ho cominciato a fare attività teatrale, ho lavorato in una produzione dove ho fatto l’attore protagonista.
Intervista con Diawara B. a Palermo, il 12 giugno 2019
„Als ich hier ankam, habe ich so viel erwartet: Es ist Europa, es ist die Welt, in der die Menschenrechte anerkannt werden. Ich dachte, ich würde Frieden haben, ich würde meine Ideen entwickeln und ich würde das Recht haben, zu studieren. Aber leider war ich enttäuscht, denn als ich ankam, steckte man uns in eine Art Käfig, umgeben von den Militärs. Einen minderjährigen Jungen hält man in einem Käfig, wie in einem Gefängnis fest, und er hat nicht einmal das Recht, frische Luft zu atmen!
Ich war 20 Tage in dieser Art von Gefängnis. Wir konnten nicht einmal rausgehen. Am Ende musste ich die anderen Jungs zur Rebellion aufstacheln, weil wir nicht hierher gekommen sind, um drinnen zu sein, sondern weil dies ein Ort ist, an dem unser Recht anerkannt werden muss, das in unserem Land verweigert wurde.
Nach diesem Aufstand wurden wir dann in andere Zentren verlegt, ich wurde nach Scicli versetzt. Sie sahen, dass ich einen starken Wunsch zu studieren hatte, und sagten mir: „Wir suchen einen besseren Ort, an dem Du deine Talente einsetzen kannst, an dem du studieren und große Dinge tun kannst.“
Dann schickten sie mich nach Palermo, ich erinnere mich noch, es war der 4.12.2016, sie schickten mich in das Waldenser-Institut, in das Haus der Myrten, und ich ging sofort zur Schule. Ich kam am Freitagnachmittag an und begann am Montag mit dem Studium.
Als ich mit dem Studium begann, war ich sehr glücklich, das war es, was ich wollte. Ich begann, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Meine Herausforderung bestand darin, die Sprache schnell zu lernen, damit ich mit den Menschen sprechen konnte. Die Gemeinschaft, in der ich war, gab mir die Werkzeuge, um mich zu engagieren, sie vertrauten mir! Ich habe die achte Klasse gemacht, aber meine Studien in meinem Land werden nicht anerkannt. Dann konnte ich auf ein wissenschaftliches Gymnasium, und das ist dem Zentrum der Waldenser und auch der Stadt zu verdanken. Viele Menschen haben mich unterstützt. „Du bist ein kluges Kind, das viel Gutes tun will, wir helfen dir!“ Ich habe in zwei Schulen gleichzeitig studiert. Ich begann mit der Schauspielerei, ich arbeitete in einer Theaterproduktion, in der ich den Hauptdarsteller spielte.“
Interview mit Diawara B. in Palermo, 12. Juni 2019
Diawara erzählte im Giocherenda Workshop seine Geschichte. Er kommt aus Mali und hat mit knapp 15 Jahren seine Familie verlassen, um in Algerien zu arbeiten. Er blieb ein Jahr und 7 Monate, arbeitete und legte Geld beiseite, um damit in Mali ein Geschäft zu eröffnen. Als sich die Situation in Mali verschlechterte und er auch in Algerien immer schlechter behandelt wurde – „sie haben mich wie einen Affen behandelt, wie Bilal, ein ehemaliger Sklave, der vom Propheten Mohammed freigekauft wurde“ – hat er im Spätsommer 2016 die Überfahrt nach Sizilien gewagt. Er kam als Minderjähriger und lebt seitdem in Italien. Nach einem Aufenthalt in einem Erstaufnahmezentrum in Sizilien, in dem er praktisch über drei Wochen eingesperrt war, kam er auf Umwegen im Dezember 2016 nach Palermo. Heute geht er auf ein internationales Gymnasium und hofft, seinen Abschluss machen zu können, um zu studieren.
Durch das sogenannte Sicherheitsdekret vom Oktober 2018 hat er vor kurzem seinen Aufenthaltsstatus verloren, wodurch er sich von einem Tag auf den anderen in einer äußerst prekären Situation befindet, die schlimmstenfalls mit dem Verbot einher gehen könnte, nicht mehr zur Schule gehen zu dürfen.
Wie entstanden die Selbstzeugnisse, Filme und Filmfragmente in Palermo?
Diawara B. und Diallo S. von Giocherenda gestalteten mit den Teilnehmenden Glory M., Fatima D., Ismail A., Kadijatu J., Marrie S. und Mustapha F. einen dreitägigen Workshop, indem es um ihre eigenen Erfahrungen in Palermo ging. Mit verschiedenen Ansätzen und Spielen konnten in der Gruppe persönliche Erfahrungen ausgetauscht und vor der Kamera des We Refugees Archiv Filmteam in der Black Box erzählt werden. Fatima D., Ismail A. und Mustapha F. erklärten sich bereit, außerhalb des Workshops von Giocherenda mit dem We Refugees Archiv Filmteam Kurzfilme über ihr Leben und ihre Themen in der Stadt zu drehen.
Giocherenda ist eine professionelle Organisation von und mit jungen Geflüchteten in Palermo, die Spiele zum Storytelling anbietet. Es geht im Ansatz nicht darum Geflüchteten zu helfen und zu unterstützen, sondern ausdrücklich um den umgekehrten Ansatz: Geflüchtete helfen Europäer*innen im gemeinsamen Zusammensein und Erfahrungsaustausch.
Giocherenda kommt aus der afrikanischen Sprache Pular und bedeutet Solidarität, aber auch Interdependenz and Stärke, die aus der Zusammenkunft der Menschen entsteht. Es ähnelt dem italienischen Wort „Giocare“ (Spielen), das das Kollektiv dazu inspirierte, Spiele zu entwickeln, die Erzählungen erzeugen und persönliche Erinnerungen teilen können.
Perspektive der Geflüchteten
Es wurde bewusst auf ein Drehbuch oder standardisierte Fragen in den filmischen Interviews verzichtet. Es ging allein um die Perspektive der Geflüchteten und die Themen, über die sie sprechen wollten. Einzige Vorgabe des Workshops war ein grober inhaltlicher Rahmen zu ihren Lebenserfahrungen in Palermo und ihren Visionen in naher Zukunft. Entsprechend konnten die Teilnehmenden frei entscheiden, was sie thematisieren und über welche Eindrücke, Probleme und Perspektiven sie sprechen wollten. Dass einige von ihnen dennoch über ihre Fluchterfahrungen nach Europa sprachen, beruhte also nicht auf einer Workshopvorgabe, sondern allein auf ihrer eigenen Entscheidung.
Interview mit Diawara B. in Palermo, 12. Juni 2019
Interviewerin: Francesca Bertin
Kamera: Max Sänger
Produktion: Francesca Bertin