In der Nacht vom 5. auf den 6. September 1939 wurden die wichtigsten Pressevertreter in einem von der polnischen Regierung organisierten Journalistenzug aus Warschau evakuiert. Auch die Vertreter der polnisch-jüdischen Presse bekamen einige Sitze im Zug zugeteilt. Unter ihnen waren der polnisch-jüdische Schriftsteller und Journalist Pinkhas Shvarts (1902–1963), ein aktives Mitglied des Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes (Bund) und Bruder des berühmten Chronisten des Holocaust in Litauen, Herman Kruk, und Zusman Segalovitsh (1884–1949), der als einer der populärsten jiddischen Schriftsteller im Polen der Zwischenkriegszeit galt. Ihre Aufzeichnung über die turbulente Fahrt ins Unbekannte dient uns als Kompass. Shvarts‘ und Segalovitsh‘ Erinnerungen an die Flucht sind auch schriftlich im We Refugees Archiv nachzulesen.
Noyekh Prilutski (1882–1941) war ebenfalls Passagier des sogenannten Journalistenzuges. Er war polnisch-jüdischer Politiker der Folkspartey, Pionier der Jiddistik, Journalist und bis 1939 Herausgeber der führenden jiddischen Tageszeitung Der moment in Warschau. Als der Journalistenzug im Oktober Vilnius nach einer langen und gefährlichen Fahrt erreichte, zögerten die exilierten jüdischen Geflüchteten nicht lange. Im November 1939 gründete Prilutski zusammen mit seinen geflüchteten Schriftsteller- und Journalistenkollegen das Komitee zum Sammeln von Material über die Zerstörung jüdischer Gemeinden in Polen 1939. Es war die wohl früheste jüdische historische Kommission in Osteuropa, die im Schatten der deutschen Verbrechen im Geheimen begann, die Zerstörung des polnischen Judentums seit September 1939 basierend auf Zeugenberichten von Geflüchteten zu dokumentieren. Einige dieser Zeugenberichte wurden ins We Refugees Archiv aufgenommen: Chaim-Leyb D., Pese R., Motel Grajer und Owsiej Bułkin schilderten ihre Fluchterfahrungen vor dem Komitee. Über das Leben der geflohenen Journalisten in Vilnius gibt u. a. ein Bericht über die Unterkunft der Intellektuellen in der Sadowa 9 Auskunft.
Textexzerpte aus:
Shvarts, Pinkhas, 1943: Dos iz geven der onheyb, New York.
Segalovitsh, Zusman, 1947: Gebrente trit. Ayndrikn un iberlebungen fun a pleytim-vanderung, Buenos Aires: Tsentral-farband fun poylishe yidn in Argentinye.
Übersetzung:
Miriam Schulz
Stimme:
Tal Hever-Chybowski
Skript:
Kristof Gerega (Schuldenberg Films)
Miriam Schulz
Regie:
Kristof Gerega (Schuldenberg Films)
Kamera:
Anton Yaremchuck
Schnitt:
Kristof Gerega
Produktion:
Schuldenberg Films