The Arrival of Hannah Arendt
Dieser Film beschreibt das Ankommen von Hannah Arendt - einer jüdischen, deutsch-amerikanischen politischen Theoretikerin und Publizistin - in New York und ihre Reflektionen über Flucht und Unterstützung beim Neuanfang.
Ich habe keine Beziehung zum Judentum gehabt, außer dass ich gewusst habe, dass mein Vater Jude war. Die Schwarzwaldschule, in die ich gegangen bin, war völlig gemischt. Man musste zwar eine Stunde in der Woche Religionsunterricht haben, aber das hat nichts bedeutet. Ich habe niemanden gekannt, der irgendwie religiös war. […]
Schon in der Nacht vom 11. auf den 12. März [1938] werden den jüdischen Ärzten Briefe zugestellt mit der Mitteilung, dass sie nicht in die Spitäler zurückkehren sollten. Aus jedem Fenster hing eine Fahne mit einem Hakenkreuz. Unser Hausmeister hat uns dann erzählt, dass das alles schon vorher aufgenäht worden ist. Es war absolut fantastisch inszeniert…Die Lastwagenkonvois, die Lautsprecher…[…]
Ich hab’s besser gehabt als die meisten insofern, als ich sofort in meinem Beruf habe arbeiten können. Die meisten Ärzte konnten es nicht. Die Amerikaner waren sehr nett, haben aber nicht ganz begriffen…Ich bin immer wieder auf dieses Erstaunen getroffen: wie kann eine Frau Medizin studieren…? Sie waren entsetzt, dass ich, obwohl ich damals schon 27 war, nicht verheiratet war,- eine Frau mit 27, die noch dazu einen Beruf hat… Nein, gesellschaftlich ist es furchtbar hier gewesen: man ist nicht eingeladen worden als einzelne Frau. Ich habe immer gesagt: „wie die Arche Noah, es muss ein Pärchen sein…“ So nett die Leute waren, sie haben mich nur eingeladen, wenn sie auch einen Mann dazu einladen konnten. Man hat es auch direkt so formuliert…In Hopkins auf der Psychiatrie war es anders, mit den Schweizerinnen, da waren wir zur Hälfte Frauen. Aber im grossen und ganzen gab es sehr wenig Frauen. Nur 6 % sind zum Studium zugelassen worden, in Hopkins, in Yale, etc. Das war so völlig anders als zu Hause. In Wien waren in der Medizin über ein Drittel Frauen. Meine Tante ist bereits Ärztin gewesen. […]
Nein, das Bild von den emanzipierten Amerikanerinnen sei völlig falsch, erst jetzt ändert sich das langsam. Die Sprache zeigt es doch immer noch, da gibt es keine weiblichen Berufsbezeichnungen und man weiß nie, ob von einem Mann oder von einer Frau gesprochen wird. Überhaupt waren die Leute immer erstaunt, dass eine Frau mit Männern befreundet sein kann oder umgekehrt, ohne dass da auch sexuelle Kontakte sind.[…]
Ich bin ja im Januar 1941 von Baltimore nach New York gekommen. Da gab es jeden Samstag bei irgendjemandem eine Gesellschaft, aber es hat Jahre gedauert, bis da auch Deutsche dazugekommen sind. Auch unter den Ärzten war es so. Es war wohl eine beidseitige Abneigung. Mit den Schweizern hatten wir gute Beziehungen, aber zwischen den Österreichern und den Deutschen war doch immer eine gewisse Feindseligkeit.
Else Pappenheim war eine österreichisch-amerikanische Ärztin, die im Jahr 1911 in Wien in einer jüdischen Familie geboren wurde. Sie promovierte im Jahr 1935 und war sofort im Anschluss daran an die Psychiatrisch-Neurologische Klinik gegangen, wo sie als Assistenzärztin arbeitete. Sie verließ Wien im Jahr 1938 nach dem Entzug der medizinischen Lizenz von den jüdischen Ärzten im Rahmen der Nationalsozialistischen Politik in Österreich und kam erst nach Palästina und später nach Baltimore und New York im Jahr 1941. In Baltimore tritt sie die ihr zugesagte Stelle als Research Assistant bei dem schweizer Professor Adolf Meyer an. In New York eröffnete sie eine eigene Praxis.
Elfi Hartenstein, 1991: Heimat wider Willen. Emigranten in New York – Begegnungen. Berg am See, S.234, 238-239, 244.