Istanbul ab 1933 – Rettungszentrum unter Vorbehalt

Die Metropole am Bosporus avancierte für viele Fliehende in den 1930ern zu einer wichtigen, wenn auch oft vergessenen, Transit- und Zufluchtsstadt. Als Verbindungsstelle zum asiatischen Kontinent spielte Istanbul eine besondere Rolle für viele Jüdinnen:Juden auf dem Weg in das britische Mandatsgebiet Palästina. Doch der steigende Emigrationsdruck auf von Nationalsozialist:innen Verfolgte traf auch auf nationalistische Eigeninteressen der noch jungen Republik Türkei, die die Einwanderung eines Teils der vertriebenen intellektuellen Elite zur Unterstützung ihres Modernisierungsprogramms durchaus willkommen hieß und gar förderte. Diese Synergie verwandelte Istanbul in ein Rettungszentrum – wenn auch für viele unter Vorbehalt. Heute wird dieses Kapitel der Fluchtmigration teilweise als Sternstunde humanitärer Aufnahmepolitik, teilweise als entscheidende Phase des türkisch-nationalistischen Modernisierungsprogramms, teilweise als Übergriff mit orientalistischen und kolonialen Motiven, aber vor allem gar nicht erinnert. Wenn ja, wird es vor allem mit Vertretern der deutschen Elite gleichgesetzt. Doch lässt sich die Fluchtmigration auf diese Elite durchaus nicht begrenzen. Die Geflüchtetengemeinschaft war ethnisch heterogen und repräsentierte alle gesellschaftlichen Klassen. Der vorliegende Text ist eine gekürzte von einer längeren Version, die unter den Kapiteln zu Istanbul seit 1933 zu finden ist.

Mit der Gründung der İstanbul Üniversitesi im Rahmen des kemalistischen Modernisierungsprogramms im Jahr 1933 begann die Suche und Anwerbung von Expert:innen seitens der türkischen Regierung. 11Klaus Kreiser, 2014: Mustafa Kemal Atatürk. Bpb (11.08.2014). https://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/184970/atatuerk (16.09.2021). Es kamen insgesamt um die 1000 exilierte Wissenschaftler:innen und ihre Familien aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die Türkei, die durch das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 aus ihrem Dienst entlassen worden waren. Sie wurden dabei von der 1933 gegründeten konfessionsübergreifenden und antirassistischen Selbsthilfeorganisation „Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland“ unterstützt, die ab 1933 schwerpunktmäßig in die Türkei vermittelte. 22P. Schwartz (hrsg. und eingeleitet von Helge Peukert), 1995: Notgemeinschaft. Zur Emigration deutscher Wissenschaftler nach 1933 in die Türkei. Marburg.

Istanbul als Einwanderungsmetropole und Zufluchtsstadt

Istanbul war als multikulturelle Großstadt, als politisches Zentrum und wirtschaftlicher und intellektueller Dreh- und Angelpunkt von jeher auch Ziel und Transitort von Migration verschiedenster Gruppen und Einzelpersonen. So waren nach der Oktoberrevolution 1917 viele russischsprachige Emigrés in die Stadt gekommen und blieben zum Teil auch noch bis in die 1930er Jahre dort. Neben jüdischen Geflüchteten und Angeworbenen fanden sich ab 1933 in Istanbul jedoch auch „politisch“ gekennzeichnete Katholik:innen und Protestant:innen sowie Liberale, Sozialdemokrat:innen und Kommunist:innen ein, die neben der bereits bestehenden deutschen Community der sogenannten „Reichsdeutschen“, Diplomaten, Missionar:innen, Konservativen, Nationalsozialist:innen und Wirtschaftsmigrant:innen eine eigene Community von Emigrant:innen bildete. So hatten vertriebene Neuzugewanderte, die gezwungenermaßen oder freiwillig der Anti-Hitler-Bewegung angehörten, an der Universität neben den türkischen Kolleg:innen „Seite an Seite mit Nazi-Gelehrten zu arbeiten“ zu arbeiten und zu leben.

Die neue deutsche Community bezeichnete sich selbstironisch als „Kolonie B.“ Dies geschah in Abgrenzung zur „Kolonie A“ der sogenannten “Reichsdeutschen”, die oft nationalsozialistische Sympathien hegten und offen antisemitisch waren. Die deutschen Exilierten fügten sich nicht nur in den städtischen Raum ein, sondern prägten diesen auch mit: Gerade diejenigen, die geholt worden waren, um die türkische Stadtplanung und die Architektur zu “modernisieren”, hinterließen in diesen Funktionen bauliche Spuren, die bis heute das Bild der Stadt mitprägen. Zu ihnen zählten vor allem Vertreter des Neuen Bauens wie Bruno Taut (1880-1938), Martin Wagner (1885-1957) und Franz Hillinger (1895-1973).

Aber es emigrierte selbstredend nicht nur offiziell von der türkischen Regierung angeworbenes wissenschaftliches Fachpersonal nach Istanbul. Auch (deutschsprachige) Männer, Frauen und Kinder unterschiedlicher Klassen und Schichten kamen zu Pferd, mit Schiffen, Zügen, dem Kanu, dem Fahrrad – oder sie passierten die türkische Grenze zu Fuß. 33Fritz Neumark, 1980: Zuflucht am Bosporus. Deutsche Gelehrte, Politiker und Künstler in der Emigration 1933-1953, Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main, p. 23-27; Corry Guttstadt, 2008: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Assoziation A: Berlin, Hamburg, S. 220 sowie Sabine Mangold-Will, 2014: Deutsche in der Türkei, 1933-1945. Bpb (05.09.2014). https://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/184978/deutsche-im-exil-tuerkei (16.09.2021). Die angeworbenen Professoren brachten zudem ihre Familien und ihre wissenschaftlichen Assistent*innen mit, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen sich von denen der Professoren unterschieden und – vor allem im Falle der Letzteren – oft weniger gesichert waren.

Privilegien und ihre Schattenseiten

Die ausschließlich männlichen, deutschsprachigen sogenannten Emigranten-Professoren der Istanbul Universität konnten ein gesichertes Leben in Istanbul beginnen und bildeten eine Gruppe von „verwöhnten“ Elite-Emigranten mit Arbeitsverträgen, die ihnen ein festes Einkommen garantierten und damit auch ein – zumindest „zeitlich begrenztes – Aufenthaltsrecht, das sie durch die Annahme der türkischen Staatsbürgerschaft verstetigen konnten. Diese intellektuelle Elite versuchte oft, ihr “deutsches” Leben in einer Art Parallelwelt fortzusetzen.

Durchaus verständlich fanden viele ihr Exil schwierig und belastend, aber während beispielsweise Exilant:innen in Paris  dachten, sich in der vielbeschworenen Hauptstadt westlicher Zivilisation wiederzufinden, oder fliehende Jiddischisten sich in Vilnius im mythenumragten “Jerusalem von Litauen” wähnten, zeugt die weitverbreitete Einstellung gegenüber Istanbul von tiefsitzenden kulturellen Überlegenheitsgefühlen und orientalistischen Stereotypen: Gerade die Anerkennung, die ihnen als Angehörige der intellektuellen, „westlichen“ Elite entgegengebracht wurde und die hinter dem türkischen Programm stehenden Logiken europäischer Vorreiterschaft, bestätigten viele Professor:innen in dieser Selbst- und Fremdwahrnehmung. Sie brachte unter den Kolleg:innen aber auch Unmut und Missgunst hervor, denn das türkischen Personal wurde schlechter bezahlt oder sogar entlassen. 44Siehe dazu ausführlicher den Artikel von Liselotte Diekmann in diesem Archiv. Liselotte Dieckmann: Akademische Emigranten in der Türkei, In:  Egon Schwartz/Matthias Wegner (Hrsg.) 1964: Verbannung. Aufzeichnungen deutscher Schriftsteller im Exil. Hamburg: Christian Wegner Verlag, pp. 122-126.

Unterstützungsnetzwerke

Innerhalb des Istanbuler deutschsprachigen Community-Lebens wurden in den 1930er Jahren Unterstützungssysteme für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Gruppierungen etabliert. Der Emigranten-Hilfsauschuss der Jüdischen Gemeinde in Istanbul ist hier ein prominentes Beispiel. Doch oft waren es einzelne Personen, die den Neuankommenden bei der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten, Wohnraum und häufig notwendigen psychischen Beistand halfen.

So boten die Ehefrauen der Emigranten-Professoren neben der obligatorischen Haus- und Pflegearbeit oft solidarische Unterstützung an. Für die neuankommenden (Ehe-)Frauen gab es zentrale Ansprechpartnerinnen in Istanbul, die beim Einstieg in das Istanbuler Alltagsleben halfen und Emigrantinnen mit Näh- oder anderen Hausarbeiten beschäftigen. 55Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 257.

Während die Unterstützungsnetzwerke, wie auch in Paris und Vilnius, Ausdruck des migrantischen Widerstands sind, weisen sie gleichzeitig auf die Kehrseite der Fluchtmigration hin: wirtschaftliche und rechtliche Unsicherheit, die sich mit der sich radikalisierenden türkischen Migrationspolitik nur verschärfte.

Verschärfung der Prekarität ab 1938

Restriktive Bestimmungen, die für viele Berufe ausschließlich türkische Anwärter:innen vorsahen, zwangen viele Geflüchtete zum illegalen Aufenthalt. Menschen, die sich (gezwungenermaßen) den Formalitäten entzogen, mussten mit ständiger Festnahme und Ausweisung rechnen. Denn alle, die keinen festen Arbeitsvertrag erhielten, waren praktisch permanent von Arbeitslosigkeit und damit der Abschiebung bedroht. 66Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 263.

Die Situation der Unprivilegierten verschärfte sich ab 1938, als eine Kennzeichnungspflicht in Pässen von Jüdinnen:Juden erlassen wurde. 77Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 307. Die in der Türkei lebenden Emigrant:innen mussten ab sofort einen Nachweis erbringen, nichtjüdisch zu sein. Lediglich „Spezialisten“ konnten nach Artikel 3 des Geheimerlasses eine Ausnahmegenehmigung zum Aufenthalt in der Türkei erhalten. So blieben viele Emigranten-Professoren größtenteils davon verschont. Doch dass die Aufnahme deutscher und österreichischer Verfolgter in der Türkei stets vakant war, wurde nun mehr als offensichtlich. 88Corry Guttstadt, 2008: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Assoziation A: Berlin, Hamburg, p. 231-32.

Mit dem Geheimerlass Nr. 2/9498 untersagte die türkische Regierung außerdem „ausländischen Juden, die in ihren Heimatländern Restriktionen unterworfen sind“, die Einreise in die Türkei. Ab diesem Zeitpunkt konnten jüdische Flüchtende, die das von den Nazis eingestempelte „J“ im Pass trugen, an der Grenze abgefangen und abgewiesen werden. Ein berüchtigtes Niemandsland entstand, in dem viele Geflüchtete tagelang umherirrten, bis ihnen eventuell der Weg über die Grenze gelang und sie (vorübergehende) Zuflucht am Bosporus fanden. 99Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, S. 283.

Während u. a. die geringen Karrierechancen für Frauen Anlass dazu gaben, die Türkei eigenständig zu verlassen, verschärfte sich die Lage 1941 weiter, als die Mehrzahl der jüdischen Emigrant:innen die deutsche Staatsbürgerschaft verlor: „Ein nicht unerheblicher Teil von ihnen wurde unter meist fadenscheinigen Anschuldigungen (…) des Landes verwiesen“. 1010Fritz Neumark zitiert nach Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 308. Als 1943 die zweiten Fünf-Jahres-Verträge für ausländischen Wissenschaftler:innen ausliefen, wurde erneut eine große Gruppe von den in der Zwischenzeit staatenlos gewordenen Exilierten des Landes verwiesen. 1111Corry Guttstadt, 2008: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Assoziation A: Berlin, p. 233; Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 307.

Mit Beendigung der türkischen Neutralität und der offiziellen Kriegserklärung im Herbst 1944 wurden alle diplomatischen Beziehungen mit NS-Deutschland abgebrochen. Es begann eine völlig neue Zeit für alle deutschen und österreichischen Staatsangehörigen. Entweder sie ließen sich ins „Dritte Reich“ zurücktransportieren oder sie wurden gemeinsam mit den im Land verbliebenen jüdischen und politischen Geflüchteten in drei Orten Anatoliens interniert: Çorum, Yozgat, und Kirsehir.

Glücklichere hatten zu diesem Zeitpunkt Istanbul schon den Rücken gekehrt, um meist in den USA, Palästina oder Russland einen Neuanfang zu wagen. In der Tat wirkte die sich zuspitzende Migrationspolitik insbesondere auf die Dauer der Zufluchtszeit in Istanbul aus. Einige der NS-Geflüchteten blieben für immer in dem Land, das ihnen Schutz vor Verfolgung und neue Möglichkeiten bot; für andere war die Türkei nur eine Zwischenstation. Einige verloren ihren Aufenthaltsstatus, andere wurden insbesondere nach Kriegsbeginn abgeschoben. Es gab auch krankheits- oder altersbedingte Todesfälle, wie es sich beispielsweise für den Architekten Bruno Taut ereignete, oder (versuchte) Selbstmorde.

Die Mehrzahl derjenigen, die das Kriegsende in der Türkei in einem der drei Internierungslager abgewartet hatten, in die sie nach der späteren türkischen Parteinahme gegen Deutschland im Krieg umgesiedelt wurden, gingen nach 1945 meist zurück nach Deutschland oder Österreich. Manche, wie Erich Auerbach, migrierten erst dann weiter in die USA. 1212Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 261.

Umsteigehafen Istanbul: Ungewisser Transit nach Palästina

Die Türkei, wie die überragende Mehrzahl von Staaten weltweit, gewährte keinen ungehinderten Zuzug von Jüdinnen:Juden und auch den Transit durch das Land nur unter Auflagen. Dennoch wurde die Türkei bereits vor Kriegsbeginn zu einem wichtigsten Transitland nach Palästina. Scheinbar unabhängig von den homogen-diversen, deutsch-jüdischen Elite-Geflüchteten arbeiteten jüdische Hilfsorganisationen für jüdische Geflüchtetengruppen aus Ost- und Süd/osteuropa, die immer mehr versuchten, einer drohenden oder bestehenden deutschen Besatzung zu entkommen – auch über Istanbul und von hier vermehrt nach Palästina.

Das American Jewish Joint Distribution Committee (kurz: JDC oder Joint) in Istanbul arbeitete u. a. daran, Jüdinnen:Juden, die hier aus Rumänien, wo u.a. sich auch viele polnische Jüdinnen:Juden um Weiterfahrt bemühten, Bulgarien, Ungarn, dem Balkan, der Ukraine oder auch Italien strandeten, vor Ort zu unterstützen und, wenn möglich, weiter nach Palästina zu schleusen. 1313Linda G. Levi, 2020: “Family Searching and Tracing Services of JDC in the Second World War Era,” in: Levi, Linda G.; Panek, Isabel; Borggräfe, Henning; Höschler, Christian (eds.): Tracing and Documenting Nazi Victims, Berlin, Boston: De Gruyter, p. 59-94, hier: 69.

Der Fluchtweg nach Palästina führte meist über das Schwarzes Meer, den Istanbul teilenden Bosporus, über das Marmarameer zum Mittelmeer. Zunächst blühte das „Geflüchtetengeschäft“ für die Kapitäne der Schwarzmeerschiffe. Der Kriegsbeginn erschwerte dies immens, da sich die türkische Regierung weigerte, weitere Flüchtlingsschiffe den Bosporus passieren oder in ihre Häfen einlaufen zu lassen. Von türkischer Seite befürchtete man einen “Ansturm” von Geflüchteten, die sich womöglich entschieden zu bleiben und so eine “Flüchtlingskrise” auslösen könnten. 1414JDC Archives, NY_AR3344_1047_2of2-1052_1of2_00658.  Das Struma Desaster darf hier nicht unerwähnt bleiben: Am 24. Februar 1942 versenkte ein sowjetisches U-Boot das Schiff MV Struma mit fast 800 jüdischen Geflüchteten an Bord. Es war aus dem rumänischen Constanţa nach Istanbul eingelaufen, um von hier in das britische Mandatsgebiet Palästina weiterzufahren. Die türkischen Behörden schleppten die Struma zurück durch den Bosporus hinaus an die Küste von Şile im Norden Istanbuls, wo sich kurz darauf das Desaster ereignete.

Nichtsdestotrotz machten sich Fliehende auch weiterhin auf kleinen unsicheren Booten in Richtung Istanbul auf. Dies war – wie auch heute – überaus gefährlich.

Traugott Fuchs, Istanbul vor 1945, aus Verzeichnis Kohlezeichnungen, 05. © Hermann Fuchs.

Im Februar 1941 hatte u.a. auf Drängen des Joint 1515JDC Archives, NY_AR3344_1047_2of2-1052_1of2_00658. die Türkische Nationalversammlung ein Transitgesetz verabschiedet, das es jüdischen Hilfsorganisationen erlaubte, Juden:Jüdinnen durch die Türkei zu schleusen, wenn sie Einreisegenehmigungen für Palästina oder andere Länder hatten.

Der Historiker Stanford J. Shaw schätze die Zahl auf wahrscheinlich zu bescheidene 4.400 Personen, die 1941 unter der Kontrolle der türkischen Polizei auf dem Weg von Constanza über Istanbul durch das Land geleitet wurden, ohne dass ihnen jedoch ein längerer Aufenthalt bewilligt wurde. Das »War Refugee Board« baute mit Hilfe von Ira Hischberg Rettungswege durch die Türkei auf und sicherte sie. 1616Kurt R. Großmann, 1969: Emigration. Die Geschichte der Hitler-Flüchtlinge 1933-1945, Frankfurt a.M., p. 288.

In diesem Zusammenhang wird Istanbul, neben Genf, als eines der größten Rettungszentren während des Zweiten Weltkrieges und auch noch kurz nach 1945 genannt. 1717Vgl. Stanford J. Shaw, 1993: Turkey and the Holocaust: Turkey’s Role in Rescuing Turkish and European Jewry from Nazi Persecution, p. 1.

Die längere Version dieses Beitrages ist unter den Kapiteltexten über Istanbul seit 1933 zu finden.

    Fußnoten

  • 1Klaus Kreiser, 2014: Mustafa Kemal Atatürk. Bpb (11.08.2014). https://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/184970/atatuerk (16.09.2021).
  • 2P. Schwartz (hrsg. und eingeleitet von Helge Peukert), 1995: Notgemeinschaft. Zur Emigration deutscher Wissenschaftler nach 1933 in die Türkei. Marburg.
  • 3Fritz Neumark, 1980: Zuflucht am Bosporus. Deutsche Gelehrte, Politiker und Künstler in der Emigration 1933-1953, Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main, p. 23-27; Corry Guttstadt, 2008: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Assoziation A: Berlin, Hamburg, S. 220 sowie Sabine Mangold-Will, 2014: Deutsche in der Türkei, 1933-1945. Bpb (05.09.2014). https://www.bpb.de/internationales/europa/tuerkei/184978/deutsche-im-exil-tuerkei (16.09.2021).
  • 4Siehe dazu ausführlicher den Artikel von Liselotte Diekmann in diesem Archiv. Liselotte Dieckmann: Akademische Emigranten in der Türkei, In:  Egon Schwartz/Matthias Wegner (Hrsg.) 1964: Verbannung. Aufzeichnungen deutscher Schriftsteller im Exil. Hamburg: Christian Wegner Verlag, pp. 122-126.
  • 5Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 257.
  • 6Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 263.
  • 7Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 307.
  • 8Corry Guttstadt, 2008: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Assoziation A: Berlin, Hamburg, p. 231-32.
  • 9Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, S. 283.
  • 10Fritz Neumark zitiert nach Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 308.
  • 11Corry Guttstadt, 2008: Die Türkei, die Juden und der Holocaust, Assoziation A: Berlin, p. 233; Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 307.
  • 12Anne Dietrich, 1998: Deutschsein in Istanbul. Nationalisierung und Orientierung in der deutschsprachigen Community von 1843 bis 1956. Opladen: Leske und Budrich, p. 261.
  • 13Linda G. Levi, 2020: “Family Searching and Tracing Services of JDC in the Second World War Era,” in: Levi, Linda G.; Panek, Isabel; Borggräfe, Henning; Höschler, Christian (eds.): Tracing and Documenting Nazi Victims, Berlin, Boston: De Gruyter, p. 59-94, hier: 69.
  • 14JDC Archives, NY_AR3344_1047_2of2-1052_1of2_00658.
  • 15JDC Archives, NY_AR3344_1047_2of2-1052_1of2_00658.
  • 16Kurt R. Großmann, 1969: Emigration. Die Geschichte der Hitler-Flüchtlinge 1933-1945, Frankfurt a.M., p. 288.
  • 17Vgl. Stanford J. Shaw, 1993: Turkey and the Holocaust: Turkey’s Role in Rescuing Turkish and European Jewry from Nazi Persecution, p. 1.

Filme 2

„Die Vermieterinnen freuten sich, uns mitzuteilen, dass wir eine „berühmte“ Wohnung gemietet hatten; Leon Trotzki hatte dort nach seiner Vertreibung aus Russland […] gewohnt. Auch er war ein armer Flüchtling, der sich nichts Besseres leisten konnte.“

Kapitel 7